Geheimnisvolles Hüsteln in Hamburg

Die möglichen Koalitionspartner umschleichen und beschnuppern sich nervös / Am Donnerstag will die SPD über ernsthafte Koalitionsverhandlungen entscheiden  ■ Aus Hamburg Uli Exner

Sie schleichen über die Dielen des Rathauses. Treffen sich in den Hinterzimmern. Tuscheln hier, tuscheln da. Führen vertrauliche Gespräche. Wer könnte mit wem und unter welchen Umständen vielleicht doch nicht? Rot-Grün? Sozis mit der Statt-Partei? Oder vielleicht doch noch eine große Koalition der Verlierer? Hamburger Szenen eine Woche nach den Wahlen, die die SPD die absolute Mehrheit gekostet, die CDU zur 25-Prozent-Riege degradiert, den Grünen das beste Ergebnis aller Zeiten und der Statt-Partei ein Ticket für die erste Rathaus-Reihe beschert hatte.

„Laßt euch jetzt bloß nicht verrückt machen“, mahnt Krista Sager am Samstag nachmittag bei der obligatorischen Nachwahl-Mitgliederversammlung der GAL, bevor sie ihren ParteifreundInnen über die ersten Sondierungsgespräche mit den Sozialdemokraten berichtet. 14 Stunden lang haben sich am Tag zuvor führende Sozis und GALier beschnuppert. Die SPD, sagt Sager, habe an keiner Stelle deutlich gemacht, an welcher Stelle sie bereit sei, auch mal eine grüne Kröte zu schlucken. Und fügt trotzig hinzu: „Wir sind nicht der billige Jakob.“

Genau den glauben manche Sozialdemokraten in Markus Wegner gefunden zu haben. Mit der bürgerlich geprägten Statt-Partei, so das Kalkül des Rot-Grün-allergischen Teils der Hamburger SPD, könne man jene wirtschaftsfreundliche Standortpolitik samt dazugehöriger Großprojekte durchsetzen, die das Mitte-rechts-Lager der Sozis samt Senatschef Voscherau für das einzige Mittel halten, die „Protestwähler“ wieder für die SPD zurückzugewinnen. Daß die Rot-Grün-Befürworter um SPD- Parteichef Helmuth Frahm noch nicht auf verlorenem Posten stehen, dafür sorgt derzeit Markus Wegner.

Der Statt-Parteichef hat seine lauthalsen Vorwahl-Forderungen nach absoluter Transparenz in der Politik zwar gegen ein geheimniskrämerisches Hüsteln eingetauscht. Aber so richtig im Zaun kann sich der Ex-CDU-Dissident dann doch nicht halten. Am Samstag spielte er mal wieder die von Voscherau so gefürchtete Rolle des unberechenbaren Rebellen und teilte dem Senatschef über die Hamburger Presse mit, wie dieser sich künftig gefälligst zu verhalten habe. „Wenn Herr Voscherau eine öffentliche Diskussion über ein vertrauliches Gespräch haben will, kann er das haben“, grollte Wegner und fügte mit drohendem Unterton hinzu: „Ich sage das nur einmal und nicht wieder.“

Grund für das rüde Statement war ein Interview Voscheraus, in dem der sonst so diplomatische Senatschef ein wenig über die Ambitionen der Statt-Partei geplaudert hatte.

Derart schlagzeilengestärkt, taten die Grünen am Samstag denn auch alles, um Voscherau ihren Willen zum „auf Erfolg angelegten Bündnis“ noch einmal zu demonstrieren. Die sogenannten Leitsätze für mögliche Koalitionsverhandlungen fielen recht unverbindlich aus, mögliche Bruchstellen wie die umstrittene Hafenerweiterung, die Zukunft der Häuser an der Hafenstraße und verschiedener Verkehrsprojekte werden nicht genannt. „Vertrauen“ in die frisch gewählte Verhandlungsdelegation, heißt die Devise.

Ob die zehnköpfige Truppe überhaupt zum Zug kommt, entscheidet sich am Donnerstag abend. Dann will der Landesvorstand der SPD entscheiden, mit welcher Partei Koalitionsverhandlungen geführt werden sollen. Als gesichert gilt derzeit nur, daß zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Große Koalition nicht in Frage kommt.

Die CDU, so die Devise auf dem Unionsparteitag am Samstag, sehe ihre Rolle nach diesem Wahlergebnis in der Opposition. Es sei denn ..., und da öffnet sich das Hintertürchen für den trotz Wahlniederlage im Amt bestätigten Landesvorsitzenden Dirk Fischer, es sei denn, die Verhandlungen mit den anderen Parteien scheitern. Aus purer Nervosität womöglich.