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„Es tut mir sehr leid“

■ Reue vor Gericht wegen Überfalls auf Spielhalle

„Wir haben hier zwar ein scheußliches Verbrechen, aber keinen Verbrecher“, meinte die Verteidigerin Brandyk in ihrem Plädoyer. Vor dem Landgericht Bremen stand der 31jährige Evangelos T., der im Februar 1993 in einer „Kurzschlußhandlung“ die Spielhalle überfallen hatte, wo er selbst Stammkunde war. Seine Beute: 100 Mark. Die Strafe: 18 Monate auf Bewährung wegen schweren Raubes.

Evangelos T. kam vor einigen Jahren aus Griechenland nach Deutschland und fand Arbeit als Koch in einem griechischen Restaurant. Im letzten Herbst brach für ihn die Welt zusammen: Der Vater wurde von einem Auto totgefahren, und als Evangelos sich deswegen Urlaub nehmen wollte, verlor er seinen Job. Die vierköpfige Familie war nun auf den schmalen Verdienst der Frau angewiesen, die als Krankenschwester in einem Altersheim 300 Mark in der Woche nach Hause bringt. Ein Kredit von 40.000 Mark mußte abbezahlt werden.

In dieser Situation griff Evangelos in einer Spontanhandlung zum Klappmesser. Auf ihm lastete, wie der Richter es ausdrückte, „die Unfähigkeit, seine Familie ernähren zu können“.

Aus diesem Gefühl heraus entstand dann der dilletantisch ausgeführte Überfall auf die Spielhalle in der Nachbarschaft. Zur Tarnung zog er die Winterjacke seiner Frau an, schnitt Sehschlitze in die Pudelmütze seiner Tochter. Dann nahm er ein Klappmesser aus dem Wohnzimmerschrank und machte sich auf den Weg zur Spielhalle, in der er noch zwei Stunden vorher, wie schon oft, an den Automaten gespielt hatte.

Wegen seiner mangelhaften Tarnung erkannte ihn die Spielhallenaufsicht sofort. „Was soll denn das, denk doch mal an deine beiden Kinder“, rief sie ihm zu, als er die Kasse auszuräumen begann. Der Angeklagte verließ die Spielhalle, noch bevor er alles Geld aus der Kasse genommen hatte, und wurde kurze Zeit später zu Hause festgenommen. Sofort gestand er die Tat und übergab auch das Messer der Polizei.

Sowohl Verteidigung als auch der Staatsamwalt forderten zwei Jahre auf Bewährung. Das Gericht blieb noch unter diesen Anträgen, da es eine Reihen von Punkten als strafmildernd berücksichtigte. Evangelos T. hatte Reue gezeigt und dem Opfer vor vier Wochen einen Brief geschrieben, in dem er sich für die Tat entschuldigte. „Es war ein großer Fehler, ich hatte nicht die Absicht, jemanden zu verletzen. Ich will meine Familie ehrlich ernähren.“ Seit April 1993 hat Evangelos T. wieder Arbeit als Lkw-Fahrer und will jetzt seine Schulden abbezahlen. JaS

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