: Unsere letzten Atemzüge
■ Kunstschnäppchen zum Aktionspreis: Die „pro art Galerie“ kämpft gegen den Ruin / „Kein Ausverkauf!“
„Kunst-Kauf-Rausch!“ tönt es aus einem Hinterhof im Peterswerder-Viertel, „reduzierte Preise, bunte Vielfalt, die sich wohltuend von Kaufhaus-Kitsch und Poster-Drucken abhebt!“ Der pro art Galerie in der Arberger Straße geht es schlecht. Die Kündigung liegt auf dem Tisch, zum Jahresende ist wohl basta. Zu oft im Mietrückstand gewesen, empfand die Vermieterin (zurecht, wie die Galeristen meinen). Jetzt machen mangels einer richtigen Ausstellung elf Profi- und HobbykünstlerInnen aus dem pro art-Dunstkreis eine Ausstellung mit ihren marktgängigsten und preiswertesten Bildern. Ausverkauf?
„Kein Ausverkauf“, sagt Galerist Joachim Bieber, selber Hobbymaler und in der Ausstellung mit zwei Bildern von huschenden Männlein auf Mauerwerk vertreten. „Wir machen weiter, nur kleiner.“ Zweieinhalb Jahre besteht die Galerie jetzt, auf 26 Ausstellungen blickt sie zurück, und was tut die Behörde? Das Kulturressort wurde in der Arberger Straße noch nicht gesehen, und unterstützt hat es das Idealistenprojekt nicht, erst recht nicht mit Geld.
Vielleicht haben die Kulturverwalter auch einfach nicht durchgeblickt. Die Galerie gehört nämlich einem pro art e.V., der mal von KünstlerInnen gegründet wurde; Vorsitzender: Joachim Bieber. Nämlicher ist zugleich Partner der kunstPRojekt Bieber, Luck und Mehring Verlag und Kultur-Agentur, die die PR für den Verein macht, welcher kein Geld für PR hat. Der Verein betreibt zudem Ausstellungsplätze in der Neustadt wie die Galerie INKATT, die „Katzengalerie“, die Ausstellungen im Cafe Knoops Park und in der Galerie HABEE und die „Arts & Darts“ Reihe im Cafe Paganini, Kneipenkunst also.
Weil Bieber, eigentlich Lehrer, inzwischen gelernter PR-Arbeiter ist, steigen aus dem Bauch dieses Konstruktes regelmäßig Ideen, wie die Künste und das Geld zusammenkommen könnten. Zum Beispiel die „Bremen erblüht“-Idee, deretwegen man schon Eduscho, die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft und Klöckner an einem Tisch hatte: In allen Stadtteilen Bremens sollten „Blumenfelder“ entstehen, verbunden mit einem „Blumenband“, das über Häuser und Straßen läuft, umstellt von Kunstobjekten aus „witterungbeständigem Material“.
Ein Vorversuch ist bei der Hochschule für Technik in der Neustadt zu bewundern, wo mit Hilfe des Ortsamts, des Brillenmoguls Kopp und zahlloser SchülerInnen 40.000 Krokusknollen im Erdreich versenkt wurden. Jetzt ist den Veranstaltern eine BSHG 19-Stelle ausgegangen und das Projekt „liegt auf Eis“.
„Unsere letzten Atemzüge, wenn nicht ein Wunder geschieht“, sagt Bieber wehmütig angesichts der neuen Ausstellung. Er kann das Wunder beziffern: „Es hapert an fünf- bis sechstausend Mark“, erklärt er, „der Antrag beim Kulturressort läuft.“ Chancen hat er nicht. Denn in Wahrheit sind Bieber und seine Mitstreiter sehr sympathische Träumer, die ein naives und völlig unzynisches Verhältnis zur Kunst haben, wie es nur Hobby- und Amateurkünstlern eignet: Sie glauben nämlich an das Gute in der Kunst und daß man das doch den Reichen und Mächtigen erklären kann.
So kam es z.B., daß in Zeiten finsterster Geldnot, nämlich letzten Monat, die Künstlerin Annegret Ciesinski eine aufwendige Installation in der pro art Galerie aufbauen durfte, die von vornherein als unverkäuflich galt. Zwar kam buten & binnen, aber man schrieb danach noch rotere Zahlen.
Wer also jetzt schon an Weihnachten denkt und sich wirklich schmucke und großartig bunte Kunst für kleines Geld anschaffen möchte, der deckt sich bei pro art ein. Mit 150 Mark kann man sich Erstlinge von Petra Wittenberg kaufen, der die Kunst schon mal richtig geholfen hat; für 2.500 Mark dagegen gibt es ein großes Ölbild von Anne Peters; selbst HABEE hat seine Preise gezügelt und verkauft seine beliebten KnautschSprüh-Rollos für lumpige 3000 Mark.
Erschwinglicher sind da schon Udo Rachows behandelte Polaroids, die der Vielmalerin Inga Flügger surreal-archaische Maskenbilder, Brigitte Ketschaus expressiv-wildbunte Körperstudien und Ronald Demuths ordentliche Waldbilder. Helga Fehre bietet eine Serie grüner Landschaftsmalerei an, Annegret Ciesinski gediegene Aquarelle (Landschaft, Figur) und Petra Heutkötter gab ihre gestisch- expressiv-bewegten Sprüh- und Malbilder in die Ausstellung.
Eine Vielfalt, deren man sich nicht schämen muß, Bilder, mit denen sich auch eine Kulturbehörde schmücken könnte. Da nämlich liegt der Hase im Pfeffer: Solange die nicht mit pro art zusammenarbeiten, sagt Bieber, sei auch die Arbeit am Sponsoren aussichtslos - der Kontakt mit der Behörde „gilt als Reverenz.“ Burkhard Straßmann
pro art Galerie, Arberger Straße 8, Verkaufsausstellung montags bis freitags 15-19 Uhr, bis zum 12.10.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen