: Tag der offenen Tür Von Martin Sonneborn
Herr Krähe und ich hatten genug vom Trubel der Großstadt. Wir wollten einfach ein paar Stunden ausspannen. Folgerichtig besuchten wir den Tag der offenen Tür mit Kaffee und Kuchen der Polizeidirektion Berlin-Köpenick.
Erwartungsgemäß fehlen jegliche Besucher. „Wir erwarten Sie schon“, bollert uns dafür Hauptwachtmeister Schulze entgegen. Und bevor wir die Flucht ergreifen können, erklärt er uns die Welt: „Ich bin nämlich hier der Kontaktbereichsbeamte.“
„Da steckt Kontakt drin“, bedeutet uns eifrig der Schupo, „und zwar nicht Kontakt irgendwie so – das ist nichts Unanständiges vor unseren Augen, das hat auch nichts mit Tieren zu tun –, sondern Kontakt zum Bürger.“ Dermaßen beruhigt, sind wir dann ganz Ohr für das größte Problem der Polizei: „Zu wenig Nachwuchs!“ Nach Schulzes Aussage scheitern bereits viele BewerberInnen am Rechtschreibtest, obwohl die zulässige Fehlerquote „von – ich sach das jetzt mal so – 40 auf 60 Fehler pro Seite heruntergesetzt“ wurde. „Das müssen ja nicht alles Koryphäen sein, aber auch keine Hilfsschüler, wo“, Schulze prustet, „wo dann der ganze Gerichtssaal lacht.“ Herr Krähe und ich lächeln höflich-hungrig, aber bevor wir auf den annoncierten Kuchen verweisen können, gerät der füllige Kontaktwachtmeister unvermittelt ins Schwärmen: „Inner Diktatur ist es herrlich, Polizist zu sein. Ich könnte jetzt“ – sein Tonfall schlägt leicht ins Bedrohliche – „,haut ab‘ sagen und euch noch einen dreingeben“ – Schulze zeigt uns seine geballte Faust –, „und wenn Ihr fragt ,warum‘, gleich noch einen hinterher. Das darf ich aber jetzt nicht.“ Gedankenverloren streicht er sich das Kinn, ist einen Moment unachtsam und muß sofort eine investigative Zwischenfrage einstecken: „Herr Hauptkontaktmeister, wie hoch ist eigentlich der Frauenanteil auf dieser Wache, und backen die den annoncierten Kuchen selber?“ Mit diesem Schachzug gedenken wir uns näher an die Kaffeetafel zu manövrieren, aber zu unserer bösen Überraschung erklärt sich Schulze auf dem Gebiet für nicht kompetent: „So was weiß nur der Dienststellenleiter!“ Als wir dann dem bärtigen Dienststellenleiter Schulze II gegenüberstehen, fällt uns mit einem Mal auf, was uns am Kontaktbeamten Schulze schon die ganze Zeit irritiert hat: Der Mann hat ja gar keinen Schnauzbart! Da heißt es nachgehakt: „Dienststellenleiter Schulze II, mal ehrlich, was ist dran an den Gerüchten, daß man bei der Polizei ohne Schnauzbart nicht befördert werden kann!?“ – „Nichts, rein gar nichts“, wehrt Schulze II ab und streicht sich nervös durch seinen Dienststellenleiter-Bart. Nun wechselt er geschickt das Thema: „Aber Sie wollten von mir irgend etwas über Frauen wissen, wollen wir das nicht beim Kaffee besprechen?“ Als wir uns kurz darauf am reichlich vorhandenen Kuchen erfreuen, drängt Schulze II energisch auf die noch ungeklärte Frauenfrage. Und so soll es denn sein: „Wie hoch ist denn der – lecker! – Frauenanteil im Revier?“ Einen Kirschstreußel lang schweigt der Mann. „Wir haben so um die 80 Beamte“, erfahren wir dann, „davon sind zehn Frauen, also acht Prozent.“ Während der studierte Statistiker Krähe vor Lachen ein Stücke Käse- Sahne durch die Gegend bläst, beiße ich die Zähne zusammen und leite den Abschied ein. Nächstes Jahr sind wir wieder dabei. Und Sie?
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