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Bleiberecht für alle Flüchtlingskinder gefordert

■ „Hamburger Appell“ beschließt den Kongreß „Kinder als Opfer von Krieg und Verfolgung“ / Teilnehmerin kritisiert den Kongreß als Forum für Selbstdarstellung

Hamburg (taz) – „Wir fordern ein Bleiberecht für alle Flüchtlingskinder unter 18 Jahren in Deutschland.“ Das ist der Kernsatz des „Hamburger Appells“, den 500 Ärzte und Psychologen aus 35 Ländern zum Abschluß des Kongresses „Kinder als Opfer von Krieg und Verfolgung“ verabschiedet haben. Sie sollen auch keinen Asylantrag mehr stellen müssen, wenn sie nach Deutschland kommen, heißt es in dem gestern beschlossenen Aufruf.

Außerdem verlangen die Fachleute die Schulpflicht für alle Flüchtlingskinder, ein Recht auf Unterricht in der Muttersprache und eine entsprechende Ausstattung der Schulen sowie eine Gleichbehandlung von ausländischen und deutschen Kindern gemäß Den Haager Flüchtlingskonvention und UN-Charta.

Die Änderung des Asylrechts habe das Seelenleid der Flüchtlingskinder in Deutschland verschärft, sagte Peter Riedesser, Veranstalter des Kongresses. „Sie brauchen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, wenn sie hierherkommen. Das kann es aber nicht geben, solange sie von Abschiebung bedroht sind“, fügte der Psychiatrieprofessor hinzu.

In Deutschland mangele es an Fachkräften, Einrichtungen und Geld für die Betreuung von Flüchtlingskindern, sagte Riedesser. „Der politische Wille fehlt, diesen Kindern zu helfen.“

In Kriegsgebieten setzen sich Familien zusammen, um zu beschließen, welches Kind nach Deutschland geschickt wird, damit es überlebt. Wenn die Kinder hier ankommen, müßten sie mit den Erinnerungen an Bomben und Leichen und ohne ihre Verwandten und Freunde leben.

„Durch den Kongreß können wir diesen Flüchtlingskindern besser helfen“, sagte der Kinderarzt Hubertus Adam. Nach den Gesprächen mit Kollegen aus den Heimatländern der Kinder verstünden sie jetzt die Leidensgeschichte der Mädchen und Jungen. Auch könnten die Betreuer Parallelen ziehen zu den seelischen Leiden der Holocaust-Opfer nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Erfahrungen ein Hauptthema des Kongresses waren.

Die Sozialarbeiterin Ruth Bhenghu aus Südafrika kritisierte jedoch den Kongreß: „Hier geht es doch gar nicht um die Opfer. Hier werden Kinderschicksale öffentlich untersucht, um dafür wissenschaftliche Lorbeeren zu ernten.“

Die Psychologen James Garbarino und Michael Greene aus den USA sagten, beim nächsten Kongreß müßten Kinder und Jugendliche dabeisein. „Die Opfer sind durchaus in der Lage, ihre Probleme zu schildern. Sie könnten doch am besten sagen, welche Hilfe sie brauchen.“ hns

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