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Arbeiter-Präsident verzichtet auf Sozialplan

■ Gesamthafenbetriebsverein: 50 schlichte Rausschmisse / Betriebsrat verhinderte Klagen der Betroffenen

„Die letzten Entlassungsschreiben sind heute raus“, sagt der Personalchef des Gesamt- Hafen-Betriebsvereins (GHB), Stratmann. Der GHB beschäftigt Hafenarbeiter, die nicht bei einer bestimmten Firma festangestellt werden, sondern als Aushilfskräfte an die Hafenfirmen für einzelne Schichten ausgeliehen werden. ÖTV und Arbeitgeberverbände des Hafens beschließen gemeinsam über die Größe des GHB. Die Auftragslage in den Häfen ist zurückgegangen, jeder zehnte Arbeiter des Gesamt-Hafen-Betriebsvereins hat in den letzten Tagen sein Kündigungsschreiben bekommen — insgesamt 35 in Bremen und 15 in Bremerhaven.

„Es gibt keinen Sozialplan“, sagt Personalchef Stratmann. Warum? Ganz einfach: „Die Mittel sind nicht vorhanden.“ Heinz Wenke, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) der SPD und als Betriebsrat der Weserport-Umschlagsgesellschaft informiert, hat Verständnis dafür: „Da war kein Geld mehr vorhanden.“

Das Pikante an der Geschichte: Betroffen von der Kündigung sind Aushilfs-Arbeiter, die meist keine Berufsqualifikation haben und kaum eine Chance, so schnell wieder einen Job zu bekommen. Der Betriebsrats-Vorsitzende, der da auf eine Abfindung für sie verzichtet, ist ÖTV-Vorstandsmitglied und Präsident der Kammer aller Arbeiter Bremens, Günter Spanjer.

Die Begründung des Verzichtes auf einen Sozialplan ist genauso unsinnig wie reinste Arbeitgeberlogik: Welcher Betrieb, dem die Arbeit ausgeht und der entlassen muß, hat schon noch freiwillig Mittel übrig. Daß die gesamten Hafenbetriebe nicht das Geld aufbringen können, um 50 ihrer Aushilfs-Arbeiter eine Abfindung zu bezahlen, wäre einem unabhängigen und aufrechten Betriebsrat nicht zu erklären.

Da Unternehmer nie Geld für einen Sozialplan haben, gibt es den Betriebsrat und seine gesetzlich verbrieften Rechte: Wenn ein Unternehmen beim Personalabbau nicht die Unterschrift des Betriebsrates unter einen „Interessenausgleich“ hat, kann jeder einzelne Arbeitnehmer vors Gericht ziehen und seine Abfindung einklagen. Aber der Betriebsrat des GHB hat seinen Arbeitern diesen Weg im Interesse der Hafenunternehmer verbaut: Er hat einem „Interessenausgleich“ zugestimmt, in dem der Verzicht auf einen Sozialplan festgeschrieben wird und gar nichts für die zu entlassenen Kollegen herausgeholt wurde.

Die Geschäftsführung begrüßt dieses Verhalten des Betriebsrates natürlich. Der freigestellte Betriebsrat Labs erklärte gestern gegenüber der taz, er könne zu dem Fall nichts sagen: „Ich bin hier nur der Ersatzmann.“ Der Vorsitzende, Spanjer, führte Gäste der Arbeiterkammer durch die Stadt und war nicht zu erreichen.

Für den Rechtssekretär des ÖTV-Bezirks, Gerd Müller, sind derartige Kündigungen „zum Nulltarif“ mit förmlichen Betriebsratsverzicht auf einen Sozialplan die absolute Ausnahme — er erinnert sich an keinen Fall in der jüngeren ÖTV-Geschichte. „Das können nur Extremfälle sein.“ Etwa, wenn der Betrieb sonst pleite zu gehen droht und sowieso nichts zu holen ist.

Rechtsanwalt Jürgen Maly, als Arbeitsrechts-Spezialist fast jeden Tag Verteidiger vor dem Arbeitsgericht, ist entsetzt: „So werden die betroffenen Arbeitnehmer ausgetrickst. Der Betriebsrat hat offenbar bewußt versucht, den Arbeitnehmern die Möglichkeit zu nehmen, eine Abfindung einzuklagen. Ich habe Zweifel, ob das Arbeitsgericht einen derartigen Interessenausgleich durchgehen lassen würde.“ K.W.

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