: II: Die Gewoba als Nazi-Idylle
■ Deutsche Arbeitsfront baute mit der Gewoba freistehende „Siedler“-Häuschen / Neue Vahr
Die Gewoba wurde nach 1933 von den Nazis übernommen wie alle anderen gesellschaftlichen Organisationen — „Eingliederung in die deutsche Arbeitsfront“ war das Motto. Als die Gewoba 1935 wieder zu bauen anfing, hatte die neue Ideologie eine völlige Kehrtwending in der Architektur bewirkt: „Die eigentumsrechtliche Bindung an die Scholle ist weder falsch verstandene Bauernromantik der Städter, noch eine zweitrangig zu behandelnde nur finanzielle Frage“, stellte die braun gewendete Gewoba fest, vielmehr stelle das Haus auf eigener Scholle „der Familie die besten Aufzuchtsbedingungen für ihre Kinder“ bereit.
In Rablinghausen baut die Gewoba 1935 so Häuser für „Siedler“, alleinstehende Einfamilienhäuser mit Platz für drei („erbgesunde“) Kinder mit Garten für Kleinviehhaltung und Gemüsebeet drumherum. Auch Wilhelm Kaisen, der spätere Bremer Bürgermeister, bezog eine derartige „Siedlerstelle“ und wußte ihre Vorzüge zu schätzen.
Erst als gegen Ende der 30er Jahre die Kriegsproduktion alle Investitionskraft verschlingt und die zunehmende Wohnungslosigkeit den schnellen Bau billiger Wohnungen erfordert, macht die Gewoba Abstriche von ihrem Konzept und baut wieder die preiswerteren zwei- oder dreistöckigen Mehrfamilienhäuser.
Wiederaufbau nach
dem Weltkrieg
Architektonisch knüpfte die Gewoba nach dem zweiten Weltkrieg an ihrer gesamten Tradition an — aus der frühen Gewerkschaftsblock-Tradition bevorzugte sie die Blocks, dann aber doch äußerlich ein wenig indivueller gestaltet und meist mit den gemütlichen Spitzdächern versehen. Dabei werden die Hauselemente so gegeneinander angewinkelt, daß die mächtigen Fronten aufgelöst wurden.
Der Wiederaufbau des in den Bombennächten zerstörten Bremer Westens wird zum zentralen Politikum der Bremer SPD. Richard Boljahn ist nicht zufällig gleichzeitig SPD-Fraktionsvorsitzender, DGB-Vorsitzender und übernimmt dann auch den Aufsichtsratsvorsitz der wieder in gewerkschaftliche Hand genommenen Gewoba.
Die Sozialdemokratie bemühte im Bremer Westen um die Möglichkeit, geschlossene Wohngebiete am Stück aufbauen zu können — und Richard Boljahn setzt dies gegen den Widerstand der bürgerlichen Kreise, die Angst vor Enteignungen schüren, für einzelne Gebiete durch: Bürgermeister Deichmannstraße, Hansastraße, Johann-Bornemacher Straße, Steffensweg entstehen in ihrer heutigen Gestalt.
Schon damals wurden die Häuserblocks, wo es ging, quer zur Staße gesetzt, ein Hochhaus (Schifferstraße) sollte dem Gesamtkomplex eine identifizierbare Form geben.
Richtig groß planen konnte die Gewwoba dann erst auf der grünen Wiese — die Gartenstadt Vahr. Das Flachdach war wieder da, die drei, vierstöckigen Wohnblocks, zwischen ihnen viel grüner Platz — aber nicht für Kleingärten. Die Wohnumgebung sollte Park sein, zum Spazierengehen einladen, der Arbeiter sollte nicht eigene Kartoffeln und Äpfel ernten und nach Feierabend Gartenarbeit leisten, sondern um mehr Lohn kämpfen.
Je mehr die finanzielle Potenz der Gewoba — seit 1967 zur „Regionalgruppe Bremen/Nordniedersachsen“ der „Neuen Heimat“ umbenannt — wuchs, desto mehr gingen die architektonischen Ideen aus. In Osterholz- Tenever und insbesondere in Blockdiek wurden seit Ende der 60er Jahre die Geschosse einfach hochgeklotzt, und da auch die finanzielle Kalkulation nicht immer aufging, geht hier die Baugeschichte der Gewoba für Jahre zu Ende. Bausenator Stefan Seifritz verkündete 1973 einen Baustopp und eine „Denkpause“.
Die Gewoba kaufte im Hollerland billige landwirtschaftliche Flächen — die „Hollerstadt“ wird dort aber nicht mehr gebaut nach dem „Hollerland“-Baulandskandal. Und nachdem sich die Meinung durchsetzte, Bremen werde nicht mehr wachsen, ging die Bautätigkeit zurück.
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