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Kein Lebenszeichen von Nulifer Koc

■ Bremer Studentin weiterhin von türkischem Militär verschleppt / Donnerstag neue Delegation aus Bremen

Von der Bremer Studentin Nulifer Koc, die am vergangenen Mittwoch von türkischem Militär im kurdischen Sirnak verschleppt worden ist, gibt es noch immer kein Lebenszeichen. Damit haben die türkischen Behörden ihre Zusage gebrochen, Nulifer Koc am Montag freizulassen. Dies hatte der stellvertretende Supergouverneur für die kurdischen Gebiete der Türkei in Diyarbakir, Ahmet Ertürk, am Sonntag gegenüber der deutschen Botschaft in Ankara und dem Rest der Oldenburger Delegation, der Nulifer Koc als Dolmetscherin angehörte, versprochen.

Gestern hieß es nun, die Bremer Studentin solle zunächst dem Staatsanwalt und später einem Haftrichter vorgeführt werden. „Man hat uns gesagt, Nulifer sei bei der Sicherheitspolizei in Sirnak“, sagte Delegationsmitglied Reinhold Kühnrich gestern nachmittag in Diyarbakir, „aber auf die Frage, was ihr vorgeworfen werde, gab es keine Auskunft.“ Nach türkischen Gesetzen könnte Nulifer Koc 30 Tage lang ohne jede Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Anwalt festgehalten werden.

„Ich mache mir Sorgen um das Leben meiner Tochter“, sagte der seit 24 Jahren in Bremen lebende Vater von Nulifer Koc gestern vor der Presse, „denn ich weiß, daß in der Region ständig verhaftet, gefoltert und getötet wird.“ Und auch Torsten Rückoldt, Asyl-Anwalt aus Brake und Mitglied der Oldenburger Delegation, befürchtet, „daß Nulifer dort nicht nur festgehalten und verhört, sondern mißhandelt und gefoltert wird.“ Die Zustände in Kurdistan hätten sich gerade in jüngster Zeit „weiter dramatisiert“. Rückoldt berichtete von willkürlichen Militäreinsätzen, zerstörten, zum Teil noch qualmenden Dörfern entlang ihrer Reiseroute in Türkisch-Kurdistan.

Am Donnerstag soll eine neue Delegation aus Bremen in die Türkei reisen, um Druck für die Freilassung von Nulifer Koc zu machen und weitere Informationen über die Situation in Kurdistan einzuholen. Seine Teilnahme zugesagt hat im Auftrag von SPD-Fraktion und -Landesvorstand bereits Horst Isola. Auch der grüne Abgeordnete Walter Ruffler und Uni- Rektor Jürgen Timm wollen mitfahren, „wenn es der Sache nützt“, wie sie gestern gemeinsam erklärten.

Die Londoner Zentrale von Amnesty International hat gestern eine „urgent action“ zur Freilassung von Nulifer Koc gestartet. Ein Aufruf in diesem Sinn kamen inzwischen auch noch vom Bremer DGB. Und Bürgermeister Klaus Wedemeier hat sich an den türkischen Botschafter in Bonn mit der Bitte um Freilassung und Rückkehr von Nulifer Koc nach Bremen gewandt. Wedemeier in dem Brief wörtlich: „Die unklaren Vorgänge um die Verhaftung und den Verbleib von Frau Koc sind in hohem Maße geeignet, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zu stören.“

Uni-Rektor Jürgen Timm „prüft“ unterdessen, ob er juristisch gegen die Behauptung des türkischen Honorarkonsuls in Bremen, Karl Grabbe, vorgehen soll, der AStA habe die türkische Arbeiterpartei PKK „finanziell unterstützt“. Deutlicher wurde da gestern Horst Isola: Grabbes Erklärung sei „unverantwortlich und bringt Nulifer Koc in Lebensgefahr“. Ase

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