Aus für das „Experiment Birnstein“

■ „Ihre letzte Stunde hat geschlagen!“ / Pressesprecherin des Unternehmens Scientology-Sekte zu Geldstrafe verurteilt

Die Miene von Scientology-Pressesprecherin Gisela Hackenjos war finster, als Amtsrichter Werner Steffen gestern nachmittag das Urteil verkündete: 9600 Mark Geldstrafe wegen Beleidigung und versuchter Nötigung, so sein Spruch nach langwieriger Beweisaufnahme – dreimal so hoch wie der angefochtene Strafbefehl.

Noch am Morgen hatten Hackenjos' Sekten-KollegInnen aus dem „Rechts- und Presseamt“ alle Register gezogen, ihre Mitarbeiterin aus dem Schlamassel herauszuboxen. Wie berichtet, hatte die 48jährige Modedesignerin im Juli 1992 den taz-, Mopo- und epd-Autor Uwe Birnstein in einem anonymen Telefonat bedroht, nach dem sie sich über den Mopo-Artikel „Im Reich des Kraken“ geärgert hatte: „Ihre letzte Stunde hat geschlagen.“ Überdies hatte sie Wochen zuvor die Sekten-Kritikerin Renate Hartwig in einer Rundfunksendung als „kriminelle Frau“ tituliert.

Hintergrund der Scientologendrohung, die gestern immer wieder als „flapsiger Umgangston“ verharmlost wurde, war offenkundig das Scheitern des „Experiment Birnstein.“ Mehrere Monate hatte die Sekte eigens ihre Bundessprecherin und Kommunikationswirtin Sabine Titzel abgestellt, die den Journalisten unter ihre Fittiche nehmen sollte. Titzel: „Mir war klar, daß er im Trend schreiben würde, aber ich hatte gehofft, sachlich und fair.“ Doch die 33jährige attraktive, gewiefte und in den USA geschulte Presseprofi-Frau konnte den Kircheninsider nicht um den Finger wickeln. Titzel: „Leider war der Kontakt zu familiär, das hat sich als Fehler herausgestellt.“ Scientologen-Vize-Boß Franz Riedls Rüffel: „Mir war der Umgang mit „Birne“ – wie er bei uns genannt wurde – zu vertrauensvoll. Er hat nur Lügen und Mist verbreitet.“

Sabine Titzel war damals Zeugin des Telefonats, das Gisela Hackenjos in ihrem religiösen Brass mit Birnstein geführt hatte. Titzel war schon damals ein Schauer über den Rücken gelaufen, da ihr die Worte zu makaber und mißverständlich waren. Titzel: „Ich dachte, oh Gott, oh Gott, hoffentlich versteht Herr Birnstein das nicht falsch. Ich dachte aber, der macht das nicht, so dreist ist der nicht, die Geschichte so zu drehen, zu der sie geworden ist.“

Für Richter Steffen war die Drohung aufgrund des Tonfalls und des Inhalts jedoch ernstzunehmen: „Bei Herrn Birnstein mußte die Assoziation aufkommen, das ist nicht nur die lustige, flapsige Frau Hackenjos, er mußte davon ausgehen, daß die ganze Organisation dahintersteht.“ Und daß die Scientologen nicht zu unterschätzen sind, wenn es Gegner mundtot zu machen gilt, zeigte die Verteidigungstrategie im Fall Renate Hartwig.

Scientology-Anwalt Blümel legte gestern ein Dossier über die „kriminellen Machenschaften“ der Sekten-Gegnerin vor, wie es kein Geheimdienst hätte besser machen können. Doch auch in diesem Fall sah Steffen „sittliche Integrität“ durch die Hackenjos-Äußerung verletzt. Und rechtzeitig zum Urteilsspruch faxte Sabine Titzel gestern einen Bericht der KSZE-Vertretung in Washington durch die Lande. Tenor: Die Scientologen werden verfolgt. Eugen Kirch jr.