: Somalische Islamisten: Wir haben US-Soldaten
■ „Islamische Heilsbewegung“ droht mit Tötung von US-Gefangenen / US-Kongreßabgeordnete drohen mit Sperrung der Somalia-Gelder
Mogadischu/Washington (AFP/wps/IPS/taz) – Eine „Somalische Islamische Heilsbewegung“ hat gestern in Mogadischu erklärt, „mehrere Amerikaner“ in ihrer Gewalt zu halten, „unter ihnen einen Piloten“. Auf Flugblättern drohte sie, falls die US-Regierung „weiterhin Zivilisten und SNA- Anhänger bedroht und einschüchtert, wird dies den Tod der Gefangenen nach sich ziehen, die derzeit gut behandelt werden“. Die Somalische Nationalallianz (SNA) ist die Organisation von Milizenchef Farah Aidid. Nach somalischen Angaben befinden sich seit den blutigen Zusammenstößen vom Montag, bei denen mindestens 12 US-Soldaten starben, acht Amerikaner in somalischer Gefangenschaft. Offiziell weiß die US-Regierung nur von einem, doch gibt das Pentagon inoffiziell „eine Handvoll“ Gefangener zu. Die USA drohten mit Vergeltung, falls den Gefangenen etwas zustoßen sollte. Ein somalischer Journalist hatte zuvor berichtet, die Gefangenen dienten als „menschliche Schutzschilde“ für Aidid.
Die UNO-Truppen hatten ihrerseits 24 SNA-Mitglieder gefangengenommen, von denen drei inzwischen gestorben sind; zu den Häftlingen gehört nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums der hochrangige SNA-Politiker Mohammed Hassan Awale.
Unter dem Eindruck der Krise wächst der innenpolitische Druck auf die US-Regierung. Bei einem Treffen von über 200 Kongreßabgeordneten mit Außenminister Warren Christopher und Verteidigungsminister Lee Aspin am Dienstag abend drohten viele Abgeordnete, eine im Senat eingebrachte Resolution zu unterstützen, die die Gelder für die Somalia- Mission sperren würde. „Wenn man alle 535 Kongreßabgeordneten heute fragen würde, würden fast alle sagen: Laßt uns Somalia sofort verlassen“, sagte der demokratische Senator Joseph Biden. Auch international wächst Besorgnis – allerdings anders: Eritreas Präsident Isaias Afeworki warnte am Dienstag in Washington zwar, der Versuch, Aidid zu verhaften, sei eine „sinnlose Konfrontation“, die Aidid zu einer „überall auf dem Globus berühmten Persönlichkeit“ aufwerte; er forderte die USA jedoch „dringend“ auf, um der Stabilität der Region willen nicht jetzt abzuziehen. Ähnlich die in London lebende somalische Menschenrechtlerin Rakiya Omaar, die den US-Einsatz in Somalia immer scharf kritisiert hat: Ein übereilter US-Rückzug wäre ein „schrecklicher Irrtum“, der es Aidid erlauben würde, in Somalia die Macht zu übernehmen.
Doch das Vietnam-Syndrom steckt den Amerikanern offenbar tief in den Knochen. US-Zeitungen äußern sich besorgt über die neugefundene Fähigkeit somalischer Kämpfer, Hubschrauber abzuschießen, und vergleichen die Kämpfe vom Montag bereits mit der Tet-Offensive des Vietcong Anfang 1968, die für den Krieg der USA in Vietnam den Anfang vom Ende bedeutet habe. Auf Anfrage eines Journalisten gab UNO-Militärsprecher David Stockwell „einige Parallelen“ zwischen den beiden Situationen zu und äußerte über Vietnamesen und Somalis die Einschätzung: „Je länger sie die auswärtige Streitmacht überstehen, desto größer wird die Unzufriedenheit daheim in den USA“.
Unterdessen wurden die Sicherheitsvorkehrungen im Lager der deutschen Soldaten in Belet Huen vorübergehend verschärft, nachdem am Dienstag im 70 Kilometer entfernten Mataban ein italienischer Posten angegriffen worden war. Das Bonner Verteidigungsministerium wies gestern einen Bericht von Bild zurück, demzufolge das deutsche Lager in Belet Huen bereits über zwanzigmal von somalischen „Rebellen“ überfallen worden sei. Es habe sich um unbewaffnete Kinder gehandelt, sagte ein Ministeriumssprecher. D.J.
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