: Verhaltene Freude
■ Niedersachsen verabschiedete Rundfunkgesetznovelle
„Radio Dreieckland im Süden bekommt nun hier im Norden Gesellschaft“, so sagte es der grüne Medienexperte, der Landtagsabgeordnete Erich von Hofe, bei der Verabschiedung des neuen niedersächsischen Rundfunkgesetzes. Das am Mittwoch vom Landtag beschlossene Gesetz erlaubt nun auch in Niedersachsen die Zulassung von nichtkommerziellen lokalen Radios und die Einrichtung von offenen lokalen Rundfunk- und Fernsehkanälen.
Die niedersächsischen Zeitungsverleger und auch die Privatradios FFN und Antenne haben bereits Verfassungsklage gegen die Rundfunkgesetznovelle angekündigt. Nur mit „verhaltener Freude“ begrüßten das Gesetz gestern die elf Lokalfunkinitiativen, die in der „Interessengemeinschaft nichtkommerzieller lokaler Hörfunk in Niedersachsen“ (INGEHN) zusammengeschlossen sind. Klagen wollen Verleger und Privatradios vor allem gegen die Finanzierungsregelung für die nichtkommerziellen Lokalsender. Das Gesetz ermöglicht für fünf Jahre versuchsweise die Einrichtung solcher Sender und offener Kanäle. Dieser Betriebsversuch soll mit mindestens zwei offenen Kanälen und zwei Nicht-Kommerz-Sendern beginnen. Dabei soll die Sendeeinrichtungen der offenen Kanäle aus jenem Zwei-Prozent-Anteil der Rundfunkgebühren finanziert werden, aus dem auch die mit dem Gesetz neugegründete Landesmedienanstalt einen Großteil ihrer Aufwendungen bestreiten wird. Zur Finanzierung der nichtkommerziellen Lokalradios soll allerdings bei den privaten Rundfunk- und Fersehveranstaltern, die in Niedersachsen zu empfangen sind, eine dreiprozentige Abgabe auf die Bruttowerbeinnahmen erhoben werden. Vor allem die von der Abgabe betroffenen Privatradios sehen darin eine „zusätzliche Zwangssteuer“. Die Juristen der Privaten hatten in den Anhörungen zu dem Gesetz damit argumentiert, daß der Abgabe die „Nützigkeit“ fehle, daß sie den für Abgaben geltenden Rechtsgrundsatz verletze, auch demjenigen einen Nutzen zu verschaffen, bei dem die Abgabe erhoben wird.
Auch die niedersächsischen Lokalfunkinitiativen befürchten, daß das neue Gesetz einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält. So seien die Erkenntnisziele des fünfjährigen Betriebsversuches in dem Gesetz nicht genau festgelegt, und für die Vergabe der Lokalfunklizenzen gebe es keine objektiv nachprüfbaren Kriterien, sagte der Sprecher der INGEHN, Thomas Muntschick. Die elf in der INGEHN zusammengeschlossen Lokalfunkinitiativen haben sich bereits kollektiv um Sendelizenzen beworben, sie wollen damit eine vorrangige Behandlung ausgewählter Lizenbewerber vermeiden.
An ganz anderen Punkten des Rundfunkgesetzes meldeten die Oppositionsfraktionen des Landtages in der Debatte am Mittwoch Kritik an. In der Verpflichtung für die niedersächsischen Privatsender, sich künftig Redaktionsstatute zu geben, sah etwa die CDU keineswegs einen Schritt zu mehr Rundfunkfreiheit, sondern einen unzulässigen „Eingriff in die Eigentumsrechte“ der Privatfunkbesitzer. Auch die Zusammensetzung des obersten Gremiums der künftigen Landesmedienanstalt fand bei der Opposition keine Gegenliebe. Dort sollen die Vertriebenen und der Bundeswehrverband keinen Sitz bekommen, dafür aber etwa der niedersächsische Flüchtlingsrat. Jürgen Voges
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