: Arbeiterklasse in der Höhle der Löwen
■ Dreitausend St. Pauli-Fans begleiten die Mannschaft zum Auswärtsspiel bei 1860 München
St. Pauli war die Nummer 1. Unangefochten führte der Kiezclub in der vergangenen Saison die Zuschauertabelle an. Doch dann kamen sie – die Münchener Löwen, der Anhang des TSV 1860, der wieder einmal den Aufstieg in die zweite Bundesliga geschafft hat. In der Zuschauertabelle verwies der Münchener Traditionsclub die Hamburger auf die Plätze – sportlich auch.
Über 3000 St. Pauli-Fans begleiten den Verein zu seinem heutigen Auswärtsspiel an der Grünwalder Straße, nach München. So viele etwa, wie der derzeitige 17. der Zuschauertabelle, der Chemnitzer FC, alle zwei Wochen ins eigene Stadion lockt.
„Es gibt eine linke und eine rechte Herzkammer, Platz für beide Clubs“, versucht Christian Hinzpeter, geschäftsführender Vizepräsident des FC St. Pauli und 1860-Mitglied, seine Affinität zu den „Löwen“ zu erklären. „Aber bei den Punkten hört die Liebe auf, da geht St. Pauli eindeutig vor.“ Verbindend ist für beide Vereine ihre Rolle als zweiter, als kleinerer Stadtverein im Schatten eines Großen und ihre Rolle als Arbeiterverein, äußert sich Doppelmitglied Hinzpeter.
Zusammentreffen werden auch die Fans der beiden Vereine. Um 14 Uhr holen die 60ger die St.Paulianer vom Sonderzug am Münchener Hauptbahnhof ab, um gemeinsam zur Grünwalder Straße zu marschieren. Nach dem Spiel wird im Pschorr-Keller an der Theresienwiese bis zur mitternächtlichen Abfahrt des Zuges gefeiert.
Für Seppo Eichkorn, Trainer des Kiezclubs, ist schon vor dem Spiel erwiesen, wer mehr zu feiern hat. „Wir wollen mindestens einen Punkt holen“, sagt der Übungsleiter vor dem Spiel, in der etwas vermessenen Hoffnung endlich den ersten Auswärtssieg seiner Amtszeit feiern zu dürfen – angesichts der vergebenen Torchancen und der Blackouts der Abwehr um Libero Dirk Dammann in den vergangenen Spielen.
Bis auf Mittelfeldspieler Holger Stanislawski hatte der Coach am Freitag bei der Bahnfahrt in die bayerische Landeshauptstadt alle Mann an Bord. Für den an einer Meniskusquetschung laborierenden Mittelfeldspieler kam Andreas Mayer neu in den Kader. Mayer war vor der Saison für 100.000 Mark vom FC Bayern München verpflichtet worden.
Kai Rehländer
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