: Die Flecken der Geschichte sollen sichtbar bleiben
■ In der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren / Als Termin für die Fertigstellung ist der 8. Mai 1995 vorgesehen / 45 Jahre lang eine ungeschützte Ruine
Sägen kreischen, und es riecht nach frisch zugeschnittenem Holz. Im künftigen Vortragssaal unter dem Dach der Neuen Jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße wird der Parkettboden verlegt. Videowand und Deckenbeleuchtung sind bereits installiert. Die übrigen Räume und das Treppenhaus des Gebäudes gleichen einer riesigen Baustelle. Isoliermaterial und Bretter stapeln sich in den Ecken, Handwerker schütten die Fußböden auf, die später mit Marmor belegt werden sollen.
Der zwölfeckige Eingangsraum mit seinen zwölf Säulen und der darüberliegende Repräsentantensaal für die Jüdische Gemeinde lassen jedoch bereits ahnen, wie die Synagoge nach ihrer Fertigstellung aussehen soll. Als Termin ist der 8.Mai 1995 vorgesehen. Decken und Wände seien nur so weit originalgetreu restauriert worden, wie es die erhaltene Bausubstanz vorgibt, erklärt Konstantin Münz von der Stiftung „Neue Synagoge – Centrum Judaicum“.
Nur noch ein Drittel des Gebäudes ist erhalten
Er zeigt auf die weißen Flecken neben den originalen Ornamentmalereien, die nicht weiter ergänzt werden sollen. „Die Geschichte des Hauses muß für seine Besucher sichtbar sein“, erläutert er. Dazu gehöre auch, daß die Synagoge rund 45 Jahre eine ungeschützte Ruine war. Sie dürfe deshalb nicht makellos wiederhergestellt werden.
Die Synagoge mit 3.200 Plätzen war 1866 eingeweiht worden. Das beherzte Eingreifen eines Berliner Polizisten bewahrte sie in der sogenannten Reichskristallnacht am 9.November 1938 vor der Zerstörung. Fünf Jahre später wurde sie jedoch bei einem Bombenangriff stark beschädigt. Heute ist nur noch ein Drittel des Gebäudekomplexes erhalten. Der Rest wurde 1958 wegen Baufälligkeit gesprengt.
Als Rückwand der Synagoge dient nun eine frühere Innenwand, die nicht saniert, sondern nur durch eine Glas-Stahl-Konstruktion ergänzt werde, berichtet Münz. Die ursprüngliche Außenwand befinde sich 96 Meter davon entfernt. Zwischen den beiden Mauern solle eine freie Fläche mit Steinen gepflastert werden, um an die früheren Ausmaße des Gebäudes zu erinnern.
Museum der Geschichte der Juden
Nach Abschluß der Arbeiten ist in vier großen Räumen auf einer Fläche von rund 1.000 Quadratmetern ein Museum der Geschichte der Juden in Berlin und der Jüdische Gemeinde vorgesehen. Auch einen kleinen Synagogenraum mit 50 Plätzen wird es geben. Rund 70 Millionen Mark seien für die Restaurierung der Synagoge sowie den Aus- und Neuaufbau der beiden Nachbarhäuser veranschlagt, die in erster Linie durch Spenden aufgebracht werden, sagt Münz. Seit 1988 sind dort bereits Verwaltungsräume und Büros und eine Zweigstelle der jüdischen Bibliothek eingerichtet worden.
Heute bezieht die jüdische Volkshochschule zwei Seminarräume und zwei Büros. Das „Centrum Judaicum“ sei nicht als „jüdische Eliteeinrichtung“ gedacht, betont Münz. Hier könnten Menschen aller Glaubensrichtungen miteinander ins Gespräch kommen und so Verständnis für ihre unterschiedlichen Traditionen entwickeln. Das muß nicht auf die geistige Ebene beschränkt bleiben: Im Erdgeschoß des Komplexes befindet sich auch ein koscheres Restaurant. Gesine Wolfinger (epd)
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