Metha und ihre Alternativen

■ Auch heute schon gäbe es technische Möglichkeiten, die giftigen Bestandteile des Hafenschlicks auf kleinere Mengen zu konzentrieren

Ab aufs Land mit dem Zeug, dann stört es uns in der Stadt nicht mehr. Ist denn die herkömmliche Deponierung wirklich schon der Weisheit letzter Schluß, wie das Amt für Strom- und Hafenbau immer wieder behauptet? Hat die Hansestadt mit dem Bau der Metha-Anlage, in der Elbschlick und Sand mechanisch voneinander getrennt werden, ihre Pflicht in punkto Schlickentsorgung erfüllt? Nein, behaupten Bürgerinitiativen, Forschung und Industrie, die alle auf eine weitergehende Erforschung der Schlickproblematik setzen.

Bereits jetzt gibt es technologisch die Möglichkeit, die giftigen Bestandteile auf viel kleinere Mengen zu konzentrieren, aber die Umsetzung solcher Projekte muß natürlich von der Politik unterstützt, wenn nicht gar eingefordert werden. Genau das passiert bisher nicht, jedenfalls nicht durch die Stadt Hamburg. Deren Druck richtet sich vielmehr gegen das Elbschlickforum, doch endlich die angebliche Tatsache zu akzeptieren: Hamburg braucht neue Deponien. Geforscht habe die Stadt lange genug, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Harburg, heißt es aus dem Amt für Strom- und Hafenbau. Nachfragen bei der TU ergaben jedoch, daß außer für die Metha-Anlage dort keine Aufträge in bezug auf Hafenschlick eingegangen sind. Es wird dort zwar in diesem Bereich geforscht, aber, so Dr. Wolfgang Calmano vom Arbeitsbereich Umweltschutztechnik, „alles auf eigene Initiative oder durch das Bundesministerium gefördert. Hamburg hat in dieser Hinsicht wenig getan.“

Das Amt für Strom- und Hafenbau weiß auch nichts von den Detail-Plänen des Bremer Vulkan-Verbund für einen neuartigen Bagger, der bereits in etwa fünf Jahren betriebsbereit sein könnte. Dieser Bagger wäre in der Lage, durch Einsatz von Sonarsystemen - die wurden in der Militärtechnik bereits bestens erprobt - schon an Bord den Schlick zu trennen. Das ist wichtig, denn am feinkörnigen Schlick können sich besonders viele giftige Sedimente anlagern. Durch anschließende physikalische Trennung an Land würde die kontaminierte Schlickmenge noch weiter verringert. Der verbleibende Rest würde mit neuartigen biologischen und thermischen Verfahren behandelt und recycelt werden. Übrig bliebe ein hochtoxisches Konzentrat, das auf nur noch drei Prozent der ursprünglich ausgebaggerten Gesamtmenge zusammengeschrumpft wäre. Der Vulkan-Verbund hat die Begutachtung des 70-Millionen-Mark-Baggers noch nicht abgeschlossen und wartet auf politische Signale .

Hochgiftig, aber nur noch drei Prozent der Schlickmenge

Die Cuxhavener Firma ContraCon arbeitet ebenfalls an neuen Technologien im Umweltsektor. Abteilungsleiterin Dr. Christine Möller-Bremer berichtet von vielversprechenden Verfahren im Bereich Hafenschlick, die sich bereits in der Pilotstufe befinden, deren tatsächliche Umsetzung wegen des hohen finanziellen Aufwands aber auf politischer Ebene entschieden werden muß: „Die Behandlung von Hafenschlick ist technologisch noch lange nicht ausgereift. Wir haben die Stadt Hamburg schon mehrfach um Unterstützung für Forschungsvorhaben gebeten, sind dabei aber nie auf offene Ohren gestoßen. Alle außer Hamburg sind an dem Thema dran.“ Auch bei ContraCon liegen die Forschungsschwerpunkte auf thermischen Verfahren, das heißt auf den Prozessen, bei denen die organischen Bestandteile verbrannt werden.

Die Bürgerinitiativen setzten von Angfang an auf die internationale Relevanz des Problems und nahmen deshalb Kontakt auf zu Brigitte Langenhagen vom Europa-Büro Cuxhaven. Die stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses des EG-Parlaments war dabei, als das Baggerprojekt des Vulkan-Verbundes auf einer EG-Konferenz im Juli dieses Jahres vor Vertretern der Industrien vorgestellt wurde. Dort wurde das Baggerprojekt sehr positiv diskutiert.

Auch die Interessen anderer europäischer Häfen an einer Lösung des Hafenschlickproblems wurden inzwischen deutlich. Laut Carsten Seidel, Fachreferent für Maritimes im EG-Büro Cuxhaven, ist im Januar eine Entschließung des EG-Parlaments zu erwarten: Damit würden die Kommision und die Mitgliedstaaten aufgefordert, der Entwicklung von Verfahren zur Schlickbehandlung stärkere Bedeutung beizumessen. Auch in der EG-Kommision, in der dazugehörigen Generaldirektion Verkehr, gebe es eindeutige Zeichen, daß die Entwicklung eines solchen Baggers befürwortet wird.

Sind Neuentwicklungen nur lästig und beunruhigend?

Sollten sich diese positiven Signale auch in Zukunft fortsetzen, könnte eine ganze Menge an EG-Geldern abgezapft werden. Im vierten Rahmenprogramm der EG stehen bis 1998 6,1 Milliarden Mark für die Bereiche Verkehr, Umwelt und Industrielle Technologien zur Verfügung. Diese Gelder können bei der Kommision beantragt werden und sind, wenn die Anträge mit dem entsprechenden Druck und formgerecht eingereicht werden, in etwa drei Monaten verfügbar. Die Befürchtungen des Pressesprechers der Wirtschaftsbehörde, Wolfgang Becker, sind also unbegründet. Der jammert nämlich: „Bis bei der EG Forschungsgelder fließen, können Jahre vergehen. Da muß man immer so ellenlange Begründungen schreiben.“ Haben wir es hier mal wieder mit einem typischen Fall von Behördenblindheit zu tun, frei nach dem Motto „Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht“? Da ist alles Neue erst mal schlecht, und die Entwicklungen auf dem europäischen Markt sind lästig bis beunruhigend.

Das finden die Vertreter der maritimen Industrien, die sich im Rahmen der sogenannten „Bangemann-Initiative“ zu einem Interessenverbund zusammengeschlossen haben, inzwischen nicht mehr. Sie fordern 15 Prozent des EG-Topfes „Forschung und Technologische Entwicklung“ für die Förderung neuer maritimer Technologien und werden diese voraussichtlich auch bewilligt bekommen. Dann würde die EG-Kommission direkt darauf warten, daß Gelder für Projekte wie den Bagger angefordert werden. Denn sonst, so drückte sich ein EG-Experte aus „werden die Gelder anders eingesetzt - dann werden wieder Kaulquappen im Weltraum befruchtet.“ Birgit Maaß