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Mit Spektakel gegen Spekulanten

■ Gestern begann die Aktionswoche der besetzten Wagenburgen und Häuser

Pünktlich um 14 Uhr sollte es gestern losgehen, das „Spektakuläre Happening gegen happige Spekulanten“. BesetzerInnen aus der Charlottenburger Marchstraße wollten den Mitarbeitern ihrer Hausverwaltungsgesellschaft die Mittagspause vergällen. Doch die „Terror-Disco“ kam mit Verspätung bei der „Henning, von Harlessem und Co. GmbH“ in der Fasanenstraße an: Der Wagen war von der Polizei verfolgt und dann zwecks Fahrzeug- und Personenkontrolle gestoppt worden. Rund siebzig Demonstranten konnten dann aber doch noch die Aktion miterleben. Ätzend laute Musik, Feuerschlucker, eine riesige Haifisch-Attrappe zeigten der Immobilienfirma, was „die von Obdachlosigkeit Bedrohten von denen, die für Obdachlosigkeit verantwortlich sind, halten“. Ein Mann wurde während der Aktion festgenommen. Gegen ihn lag nach Polizeiangaben ein Haftbefehl vor.

Mit dem Treffen in der Fasanenstraße begannen gestern die „Aktionstage '93 der besetzten Häuser und Wagenburgen“. Im Laufe der Woche sind verschiedene Projekte und Demos geplant, mit denen die Organisatoren der ihrer Ansicht nach drohenden Räumung der letzten besetzten Häuser begegnen wollen. Die Räumung der Wagenburgen in Adalbertstraße und Engelbecken habe sie aufgeschreckt: „Wir befürchten, daß wir aus unseren Wohn- und Lebensräumen vertrieben werden sollen“, sagte eine Sprecherin. Die Aktionswoche richtet sich aber auch gegen Mietspekulationen, steigende Gewerbemieten und Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum. Gleich anschließend an das Spektakel in der Fasanenstraße zogen die Demonstranten deshalb weiter zur Joachimsthaler Straße vor das Sorat Art Hotel, das der Garski- Penz-Gruppe gehört. Diese Gruppe, so die Veranstalter, verdiene Unsummen durch Luxushotels und als Hausbesitzer ebenso wie durch die Betreuung von Obdachlosen- und Flüchtlingsheimen. Ebenfalls unter Penz-Regie laufe der B.O.S.S.-Sicherheitsdienst, der für die Sicherheit in den Heimen zuständig sei.

Aktueller Aufhänger der Aktion war die gestrige Tagung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. Dort stand das Thema Häuserräumung auf der Tagesordnung. Besonders die mehrfache Besetzung und Räumung des Hauses Pfarrstraße 112 in Lichtenberg hatte Anlaß zu Spekulationen gegeben, daß die sog. „Berliner Linie“ nicht mehr gelte. Danach sollen Häuser, die vor dem 3. Oktober 1990 besetzt worden sind, nicht geräumt werden, wenn die Besitzverhältnisse einwandfrei geklärt worden sind. Das Haus in der Pfarrstraße, so stellte sich im Ausschuß heraus, gilt aber nicht als besetztes, sondern als ungenehmigt leerstehendes Haus. Martin Böttcher

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