■ Schäuble signalisiert Kompromißbereitschaft. Akzeptiert die SPD einen Konsenskandidaten für das Präsidentenamt?
: Wer braucht Steffen Heitmann?

Wer braucht eigentlich Steffen Heitmann als Kandidaten für die Weizsäcker-Nachfolge? Die „Republikaner“, um endlich salonfähig zu werden? Die CSU, als Kompensation dafür, daß sie noch nie einen Bundespräsidenten stellen durfte? Oder doch Helmut Kohl, der zum Ende seiner Amtszeit noch schnell die rechts-nationale Wende zementieren will? Es läßt sich auch eine vordergründigere Antwort finden: Die SPD und Johannes Rau brauchen Heitmann, weil nur mit der umstrittenen Kandidatur des Sachsen sich eine Mehrheit in der Bundesversammlung für den SPD-Kandidaten erträumen läßt. So ist denn auch die Strategie der Sozialdemokraten ein ziemlicher Balanceakt: man kritisiert und demontiert – was wirklich nicht schwer ist – den Unions-Kandidaten und hofft zugleich inständig, der angeschlagen-gereizte Kanzler möge stur an ihm festhalten. Bitte keine Störmanöver!

Doch die bleiben nicht aus. Spektakulärer jedenfalls als Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble am Wochenende kann die Union ihre Bereitschaft kaum signalisieren, nach der mißglückten ersten Kandidatenrunde noch einmal neu nachzudenken. Mehr, als das mögliche Scheitern Heitmanns in der Bundesversammlung ins Auge zu fassen, die Ost-Herkunft des künftigen Präsidenten über dessen Parteizugehörigkeit zu stellen und neuerlich die Idee eines Konsenskandidaten ins Spiel zu bringen, kann Schäuble kaum tun. Er erneuert damit das Angebot, das die SPD seinerzeit mit der Nominierung Johannes Raus ostentativ ausschlug. Auch wenn Schäuble inzwischen schon wieder den halben Rückzug antritt, darf man die Gesprächsbereitschaft der Union getrost ernst nehmen. Auch sie hat schließlich ihr Balance- Problem. Sie muß Heitmann wieder loswerden, ohne den sächsischen Justizminister vollends zu kompromittieren. Sie will zudem ihr Abrücken von ihm nicht mit völligem Gesichtsverlust bezahlen. Zuviel verlangt?

Aber worum geht es den Sozialdemokraten und der links-liberalen Öffentlichkeit mit ihrer Kritik an Heitmann? Gilt es, den Mann als Präsidenten zu verhindern, oder darum, Johannes Rau durchzusetzen? Nimmt man Günter Verheugens Reaktion auf Schäubles Angebot als Maßstab, dann hat sich zumindest die SPD entschieden. Sie verkauft weiterhin Rau, mit dessen Nominierung die Konfrontation um die Weizsäcker-Nachfolge erst begann, als den eigentlichen Konsenskandidaten. Damit zwingt sie die Union, die Heitmann-Bewerbung – auch gegen besseres Wissen – aufrechtzuerhalten. Dabei ergäbe sich für einen, der das Motto „Versöhnen statt spalten“ seit Jahren vor sich herträgt, doch gerade jetzt eine schöne Gelegenheit, ihm zu entsprechen. Andernfalls ist es der SPD-ernannte „Konsenskandidat“, der den möglichen Konsens weiter verhindert.

Doch es ist nicht allein das Interesse am Kompromiß, von dem sich die Sozialdemokraten überzeugen lassen müßten, Rau zurückzuziehen und den Konsens mit der Union zu suchen. Für wie machtvergessen hält man eigentlich im Erich-Ollenhauer-Haus die Union und für wie geradlinig-entschlossen die FDP? Schon daß Heitmann wirklich an den CDU-Dissidenten und den Liberalen in der Bundesversammlung scheitert, ist nicht ausgemacht. Daß aber die Union mit Heitmann und ohne Netz in die Abstimmung geht, ist mehr als unwahrscheinlich. Es bedarf nicht allzuviel Phantasie, um sich auszurechnen, daß sich die Koalition rechtzeitig – wenn schon nicht auf Heitmann – dann eben auf einen anderen, jedenfalls mehrheitsfähigen Gegenkandidaten zu Johannes Rau verständigen wird.

Spätestens dann ist die Chance der SPD endgültig vertan, bei der Benennung des ersten gesamtdeutschen Präsidenten mitzureden. Die vorübergehende Illusion eines Bundespräsidenten Rau jedenfalls wäre mit diesem Ergebnis ziemlich teuer erkauft. Die SPD hat mit der Nominierung Raus bereits die Chancen der Kandidatur von Jens Reich vorab und ohne Not zunichte gemacht. Was hindert sie jetzt daran, gemeinsam mit der Union den Sozialdemokraten Richard Schröder zu nominieren? Die Lebensplanung ihres stellvertretenden Parteivorsitzenden reicht dafür als Begründung kaum aus. Es liegt jetzt an der SPD, die lächerliche Dauerdebatte um die Weizsäcker-Nachfolge zu beenden. Matthias Geis