Sanssouci: Nachschlag
■ Junger europäischer Film in Cottbus und Berlin
Die Sonne geht in Ruhe auf, ein Mann taucht plötzlich aus dem Wasser auf – eine friedliche Landschaft irgendwo in der „Mitte Europas“. Der tschechoslowakische Film „Alles was ich mag“ von Martin Sulik ist bereits der zweite Beitrag des Regisseurs auf dem Cottbuser Festival des „Jungen Osteuropäischen Films“. Der Film erzählt in Form von kurzen Episoden die Geschichte eines Mannes, der eigentlich sein Leben ändern müßte. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen, er hat keinen Job mehr, sein Sohn macht ihm Schwierigkeiten, und auch die Eltern befinden sich in einer Lebenskrise. Die Liaison mit einer jungen, vitalen Britin scheint der einzige Ausweg aus der Misere zu sein... Der Film erzählt auf eine so humorvolle und angenehme Art und Weise von den „Schwierigkeiten miteinander umzugehen“, vielleicht die typische tschechoslowakische, so daß der Zuschauer, trotz der Probleme des Protagonisten, immer mehr begreift, „was er mag“. „Alles was ich mag“ ist ein unaufdringlicher Streifzug durch den Alltag von Menschen in Osteuropa, in dem die Details so liebevoll hervorgehoben werden, daß es verständlich wird, warum er all das nicht hinter sich lassen will.
Dieser Film wurde mit dem Hauptpreis des Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, dotiert mit 20.000 DM, ausgezeichnet. Dreizehn weitere Spielfilme aus acht Ländern Osteuropas und der GUS wetteiferten in Cottbus um einen der drei „Nachwuchspreise“. Verständlich, daß es bei einer solchen Auswahl der Jury nicht leichtgefallen ist, die Preise zu vergeben.
Mit einem Förderpreis des ORB, dotiert mit 10.000 DM, wurde der ungarische Spielfilm „Kindermorde“ von Idilko Szabo ausgezeichnet. Die Regisseurin verknüpft in diesem Film Krimi und Gesellschaftsdrama, ein Film, in dem Kinder zu Mördern werden, ein Film, in dem man nach der Vorstellung, so der Kommentar eines Zuschauers, „eine Stecknadel fallen hören kann“.
Wegen der Qual der Wahl mußte der letzte Preis zu gleichen Teilen an einen Film aus Polen „Gespräche mit einem Mann im Schrank“ von Mariusz Grzegorzek und einem Film aus Rußland, „Nikotin-Nikotin“ von Jewgeni Iwanow, gehen. Beide Filme weisen nach einer Zeit der Umbrüche und Experimente auf eine Rückkehr zu den Traditionen hin – wobei Iwanow in „Nikotin- Nikotin“ eher Kinotraditionen aus Ost und West verbindet. Ein Film ohne Worte, der gekonnt alles, was die Jugendlichen – egal ob Ost oder West – seit Anfang der Sechziger geprägt hat, spielerisch verknüpft, musikalisch untermalt, tänzerisch ausgedrückt.
Nicht alle Filme, die in Cottbus gezeigt wurden, sind dem westeuropäischen Verständnis von der Aufarbeitung der jüngsten Geschichte in den osteuropäischen Ländern zugänglich. Manchmal eine Spur zu ironisch, zu sehr ins Lächerliche gezogen, da bleibt nicht viel mehr übrig als die Verblüffung über so viel Leichtigkeit im Umgang mit den Ereignissen im eigenen Land und dessen Auswirkungen auf das Individuum. Es ist ermutigend, daß das Konzept der Veranstalter aufgegangen ist und sie dieses Jahr zum dritten Mal nach Cottbus zum Festival des „Jungen Osteuropäischen Films“ einladen konnten, um vielleicht auf diese Weise etwas zur Verständigung mit dem Westen beizutragen.
Auch ein neues Berliner Kino will dem Mißstand begegnen, daß in Deutschlands Hauptstadt bisher eine Adresse für osteuropäische Filmkunst fehlte. Das Kino „Balázs“ (nach dem ungarischen Filmtheoretiker) ist im Haus Ungarn untergekommen und wird dort von einer Gruppe Filmbuffs aus Ost und West betrieben. So bekommen auch die nicht preisgekrönten Filme eine Chance, über die „nationalen Grenzen“ hinweg gezeigt zu werden. Olivera Stevanovic
Kino Balázs im Haus Ungarn, Karl-Liebknecht-Straße 9, Mitte.
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