: Dasa-Schließung: Lemwerder wehrt sich
■ FlugzeugmechanikerInnen haben Ideen für Aufträge / Stellenabbau auch in Bremen vorgesehen
Der sommersprossige 16jährige im Blaumann ist blaß: Vor sechs Wochen erst hat er eine Flugmechaniker-Lehre in der Lemwerder Betriebsstätte der Deutschen Aerospace be
gonnen. Nun soll das Werk geschlossen werden. Das entsprechende Fax der Münchner Geschäftsleitung flatterte dem Betriebsrat am Dienstagabend sozusagen aus aus heiterem Him
mel ins Büro. Damit sind fast 1.300 Arbeitsplätze futsch. Gestern blockierten rund 3.000 MitarbeiterInnen, Familienangehörige und LemwerderInnen die Abfahrt zur Fähre nach Ve
gesack. Sie denken außerdem über weitere Aktionen nach, „die nicht schon Standard bei Arbeitskämpfen sind“.
„Das ist eine Riesenschweinerei, daß der Frachter nach Hamburg geht“, sagt ein 19jähiger Fluggerätemechaniker. Gemeint ist damit der Auftrag, 13 Passagierflugzeuge zu Frachtflugzeugen umzubauen. Am Montag hätte der erste Frachter in der Lemwerder Halle stehen sollen. Der Auftrag jedoch wurde unvermittelt an die Hamburger Betriebsstätte vergeben. Dort werden ansonsten Airbus-Rümpfe „endmontiert“. Dabei wollten die Lemwerder mit den „Frachtern“ endlich den Schritt auf einen lukrativeren Markt tun. Bislang nämlich wurden in der Wesermarsch nur Flugzeuge gewartet. Auf diesem Markt tummeln sich jedoch mittlerweile auch Dritte-Welt-Länder. Allerdings bieten auch westliche Firmen wie die Air-France weit unter ihren Kosten an und gleichen den Verlust durch Gewinne in anderen Bereichen aus.
Den Wechsel von der Wartung zur Umrüstung wollte die Dasa, eine Mercedes-Benz- Tochter, offenbar nicht mehr abwarten. Kaum ein Jahr in den roten Zahlen gab sie am Dienstag ein Sparkonzept bekannt, das bundesweit 10.300 Menschen den Arbeitsplatz kosten wird (siehe Seite 6). Als „Kurzschlußreakton“ bezeichnete der herbeigeeilte niedersächsische Wirtschaftsminister Peter Fischer die geplante Schließung des Werkes.
Ein Drittel der Dasa-Belegschaft in Lemwerder kommt aus Bremen, ein Drittel aus dem Ort selber und ein Drittel aus Delmenhorst. „Für den Landkreis Wesermarsch ist die Schließung eine Katastrophe“, sagte Oberkreisdirekttor Latz.
Fast still zogen die 3.000 gestern durch das Straßendorf Lemwerder. Schweigend schob auch Flugzeugmechaniker Peter Back (33) sein Fahrrad. Er will hoffen, sagt er, schließlich arbeitet er schon das ganze Jahr hindurch kurz. „Das ist ein Tausender weniger pro Monat.“
Auch die Bremer Betriebsstätte der Dasa beim Flughafen ist von den bundesweiten Stellenkrüzungen betroffen: Hier sollen, möglichst über Ruhestand und Fluktuation, innerhalb von drei Jahren 476 Stellen abgebaut werden, sagt Rolf Brandt von der Deutschen Aerospace in Hamburg. Das Bremer Werk ist Zentrum der Fertigung von Kleinblechteilen für den Airbus und baut die Elektronik in die Flügel und ist deshalb betroffen vom Auftragsrückgang bei Airbus- Flugzeugen. cis
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