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Die Fans guckten in die Röhre

Eintracht Frankfurt – Dnepr Dnepropetrowsk 2:0 / Warum Okocha auch im UEFA-Pokal gerne ein Sambatänzchen zeigt  ■ AusFrankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Waldstadion (taz) – Daß sich die gutsituierte Anhängerschaft der Eintracht in der Stadt der Banken und Werbeagenturen zu Hause hinter der Zentralheizung verkroch und vermutlich in die Röhre (RTL) glotzte, war der eigentlich Skandal des Abends: „Rassismus pur“ nannte ein klassenbewußter „Zeuge Yeboahs“ die „westliche Arroganz“ demonstrierende Abstinenz der Massen beim Auftritt der Männer von Dnepr Dnepropetrowsk (Ukraine) im Waldstadion. Ganz so politisch wollte der Trainer der Frankfurter Eintracht, Klaus Toppmöller (SPD), den Minusrekord an BesucherInnen in dieser Saison (6.900) nach dem Spiel zwar nicht kommentieren. Doch „Töppi“ war stocksauer: Schließlich sei die Eintracht der Tabellenführer der Liga und habe zu Hause um den Einzug in die dritte Runde im UEFA-Pokalwettbewerb gekämpft – „und die Mannschaft von Dnepropetrowsk ist auch keine Zirkustruppe“. Auch Dietmar Roth glänzte mit angebrachter Publikumsbeschimpfung: „Ich weiß nicht, warum die Frankfurter alles so arrogant von oben herab behandeln.“

Auf dem Spielfeld gab es zu Arroganz und Überheblichkeit wahrhaftig keinen Anlaß, denn die von Trainer Nikolai Pawlow auf Kampf programmierten „Dnepros“ (Pawlow) hetzten die Frankfurter in der ersten Halbzeit über den Platz. Nach beinharten Schüssen von Andrej Polunin und Dimitri Michailenko verhinderte Uli Stein mit Sturzflügen einen vorzeitigen Absturz – und Uwe Bein lag bei Michailenko und Sergej Dirjawka an der Kette. Bei der Eintracht setzte sich in den ersten 45 Minuten nur Maurizio Gaudino ordentlich in Szene: Seinen ersten, eigentlich „unhaltbaren“ Schuß konnte Torwart Nikolai Medin gerade noch abklatschen. Den zweiten hämmerte der Ex-Stuttgarter aus spitzem Winkel an den Pfosten.

Da klatschten die ZuschauerInnen aus Hessen erstmals in die kalten Hände – und übertönten so das „Scheibu! Scheibu!“ der rund 10 (in Worten: zehn) „Dnepros“- Fans im Gastblock, die zwanzig Minuten lang einsam für Stimmung gesorgt hatten.

Nach der Pause spielte dann aber (fast) nur noch eine Mannschaft. Die Eintracht biß sich in der Hälfte der Ukrainer fest und erspielte – und versiebte – Chance um Chance. Als auf den Rängen schon das „Gespenst von Duisburg“ umging, gelang Jay-Jay Okocha und Jan Furtok in Gemeinschaftsarbeit ein Stolpertor (65. Minute). Danach knallten den „Dnepros“ die Sicherungen durch. Der schon mit einer gelben Karte belastete Kapitän Dirjawka drosch den Ball absichtlich in die Wolken – und Schiedsrichter Jose Garcia Aranda Encinar aus Spanien zückte Gelb/Rot. Und weil die „Dnepros“ von Trainer Nikolai Pawlow anschließend Fehleinwürfe in Serie produzierten, steht fest, daß die „Theorie von den Reflexen“ von Iwan Pawlow (1849 – 1936) nur für ein Hundeleben taugt. Und wie ein geprügelter Hund schlich Dirjawka vom Platz, nachdem ihn sein Trainer auch von der Bank verscheucht hatte. Für die Eintracht alles klar machte dann Jay-Jay mit einem herrlichen Tor ins lange Eck (77.). Da war „Samba“ an der Seitenlinie angesagt.

Und die ZuschauerInnen, die gekommen waren, um der Eintracht und den „Dnepros“ die Ehre zu geben, spendeten brav standing ovations. Bernd Hölzenbein jedenfalls hat schon einmal ein Ticket für den Flug nach Genf zur Auslosung der vierten Runde im UEFA-Cup gebucht. Der kluge Pawlow mit dem mafiösen Outfit schlug dagegen auf der obligatorischen Pressekonferenz nach dem Spiel in Demut die Augen nieder: „Sollten wir nach dem Rückspiel (3.11.) weiterkommen, wäre das eine Sensation.“

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