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Schmuggel und Mord im Nebel Ruandas

Neue Enthüllungen über den Tod der Gorilla-Forscherin Diane Fossey in Ruanda 1985 führen in Richtung Staatsspitze / Ermordete Zeugen und Einschüchterung durch die Staatssicherheit  ■ Von Francois Misser

Berlin (taz) – Wer tötete am 27.Dezember 1985 die US-amerikanische Primatologin Diane Fossey, die im zentralafrikanischen Ruanda ein weltberühmtes Berggorilla-Forschungszentrum leitete und deren Schicksal durch den Film „Gorrillas In The Mist“ international bekannt wurde? Das heute in London erscheinende neue Buch „Murder In The Mist“ von Nick Gordon, dem ehemaligen Chefredakteur der britischen Sonntagszeitung Mail On Sunday, wirft neues Licht auf diesen mysteriösen Tod: Könnte ein enger Verwandter des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana in den Mordfall verwickelt sein?

Die ruandische Justiz hatte 1986 einen US-Forscher in Diane Fosseys Institut, Richard Wayne MacGuire, und einen vom Insitut angestellten einheimischen Wilddiebjäger namens Emmanuel Rwelekana des gemeinschaftlichen Mordes schuldig befunden. MacGuire, so die offizielle Version, habe Diane Fossey umgebracht, um ihre Unterlagen zu stehlen.

Gordon deckt im Zusammenhang mit diesem Fall eine Reihe von Ungereimtheiten auf. So versuchte MacGuire nach dem Tod Fosseys nicht zu fliehen, sondern blieb sechs Monate lang im Institut. Dann konnte er, obwohl gegen ihn ein Haftbefehl vorlag, das Land ganz normal über den internationalen Flughafen verlassen. Er wurde schließlich auf der Grundlage eines Laborbefundes der Pariser Polizei verurteilt, demzufolge sich auf Diane Fosseys Händen Haare MacGuires gefunden hätten.

Übermittelt wurde dieser Befund vom damaligen Chef der ruandischen Staatssicherheit, Augustin Nduwayezu, der die Haarproben einer US-Diplomatin gegeben haben will. Diese behauptet allerdings, ihrerseits die Proben Nduwayezu gegeben zu haben. Andere Haarproben von Diane Fosseys Händen, die von der US-Botschaft in Ruanda an das FBI geschickt wurden, ergaben in der Analyse nur, daß sie von einem Menschen „kaukasischer Rasse“, also von einem weißen Menschen, stammten – vielleicht sogar von Diane Fossey selber.

Die Leiche der Forscherin – die je nach Version durch Messerstiche oder durch Erwürgen starb – wurde nie autopsiert, schreibt Gordon, der auch fragt, wie denn der US-Amerikaner MacGuire und der Ruandese Rwelekana gemeinsam einen Mord hätten planen können, obwohl sie keine gemeinsame Sprache kannten.

Rwelekana kann seine Version nicht mehr erzählen. Er wurde 1986, noch vor dem Mordprozeß, in seiner Zelle im Gikondo-Gefängnis der Hauptstadt Kigali mit seinem eigenen Hemd erhängt aufgefunden. Der Arzt, der seine Leiche obduzierte – ein Dr. Venuste – schloß auf Selbstmord, wollte aber Gordon nichts erzählen. Außer folgender Einzelheit: Man habe ihn nach der Obduktion in den Präsidentenpalast bestellt und er habe geschworen, Stillschweigen zu bewahren.

Der ehemalige Militärkommandant der Region, Charles Uwihereye, und der britische Gerichtsmediziner Ian West äußern gegenüber Gordon die Vermutung, der Angeklagte Rwelekana sei von fremder Hand erhängt worden. Im Obduktionsbericht sei nämlich von Halswirbelbrüchen die Rede, die eigentlich bei Selbstmord durch Erhängen nicht aufträten.

Gordon gelang es zudem, den einstigen Zellengenossen Rwelekanas, einen Geheimdienstagenten des Nachbarstaates Burundi namens Boniface, aufzutreiben. Der erklärte, der damalige Gefängnisdirektor habe auf Anweisung des Präfekten von Ruhengeri, Protais Zigiranyirazo, Rwelekana unter Druck gesetzt, damit er MacGuire schriftlich belaste. Dieser Präfekt, der unter dem Spitznamen „Herr Z“ bekannt ist, hat einflußreiche Verwandte: Sein Schwager ist Ruandas Staatschef Habyarimana.

Nicht nur Rwelekana soll unter Druck gesetzt worden sein. Jean- Baptiste, ein Radiojournalist beim staatlichen Rundfunk, erzählte Gordon, der Ex-Präfekt habe ihn erst daran gehindert, MacGuire zu interviewen und ihn dann gezwungen, die Nachricht vom „Selbstmord“ Rwelekanas im Radio zu melden. Ein Mitarbeiter Diane Fosseys, Alphonse Nemeye, berichtet, man habe ihn auf Veranlassung des Polizeileutnants Rwaganyasore in einer Schaltzentrale an der ruandisch-ugandischen Grenze mit Elektroschocks gefoltert, um ihn zu der Aussage zu bewegen, die Forscherin sei von Weißen getötet worden.

Letztes Jahr starben unter ungeklärten Umständen sowohl Leutnant Rwaganyasore wie auch der für das Gikondo-Gefängnis verantwortliche Kommandant Haguma. Wußten sie zuviel?

Die Rolle des „Herrn Z“

Diane Fossey hatte in Ruanda viele Feinde. Einen Monat vor ihrem Tod schrieb sie ihrem Freund Ian Redmond, sie habe einen Wilderer gestellt und bei ihm eine Namensliste der Beteiligten an einem Goldschmuggelring zwischen Ruanda und Zaire gefunden. Sie erwarte, schrieb sie, daß der Wilderer wie gewöhnlich von den ruandischen Behörden wieder auf freien Fuß gesetzt werde. Gordon befragte darüber „Herrn Z“, den Ex-Präfekten von Ruhengeri und schildert dessen extrem nervöse Reaktion und Gegenfrage, ob es die Liste denn noch gebe.

Diane Fossey war schon zu Lebzeiten als strenge Gegnerin einer touristischen Erschließung des Nationalparks „Parc des Volcans“, wo die Bergorrillas leben, bekannt. Die Familie von Staatschef Habyarimana ist aber am Hotelgeschäft beteiligt und hat Freunde an die Spitze des Touristenamtes und der Nationalparks gesetzt. Hier, so Gordon, könnte ein Motiv für den Mord liegen.

Alle Befragten – der burundische Agent Boniface, der Radiojournalist Jean-Baptiste, der Ex- Militärkommandant Uwihereye, der nach seinem Gespräch mit Gordon zwei Mordanschlägen entging – nennen „Herrn Z“, den Ex- Präfekten und Präsidentenschwager Zigiranyirazo, als Drahtzieher hinter den zahlreichen Einschüchterungsversuchen.

Boniface zufolge gibt es vier Mörder, zwei davon Ex-Militärs. Alle vier seien ins Gefängnis von Ruhengeri gebracht und dort mit Hämmern erschlagen worden. Zu der Zeit habe sich in dem Gefängnis ein prominenter Insasse befunden: Theoneste Lizinde, heute ein Anführer der Guerillabewegung „Ruandische Patriotische Front“ (RPF). Er soll die vier Leichen selbst gesehen haben.

Stimmt es also, daß der Schwager des Staatschefs von Ruanda als Präfekt und Sicherheitschef der Region persönlich für den Mord an Diane Fossey verantwortlich war? Es ist nicht der einzige Vorwurf gegen ihn. Ex-Militärkommandant Uwihereye hat „Herrn Z“ öffentlich der Beteiligung am Gorillaschmuggel bezichtigt. Ruandas Staatschef hat zu dem Vorwurf Stellung genommen – auf zweideutige Weise. Bei einer Pressekonferenz in Brüssel im September sagte er: „Wir haben ein Justizwesen, wir haben Touristen. Wenn es wahr wäre, daß Gorillas gestohlen werden, würde ich das nicht erst jetzt erfahren haben.“

Die Frage nach dem Mörder wird wohl vorläufig offen bleiben. Zuviel ist noch nicht bekannt. So sind zahlreiche Dokumente des US-Außenministeriums, die mit der Affäre zu tun haben, noch geheim. Und eine der größten Überraschungen Gordons während seiner zweijährigen Recherche war, wie die Forscherkollegen der Ermordeten auf seine Nachforschungen reagierten: Sie hätten ihn systematisch davon abhalten wollen, das zu tun, was im höchsten Interesse eines Forschers stehen müßte – die Wahrheit herauszufinden.

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