Kandidat Heitmann im Bad der Zustimmung

■ Auftritt vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war eine gelungene Inszenierung / Kritiker wurden ausgebuht

Bonn (taz) – Auf dem Gesicht des Fraktionschefs lag der Ausdruck der Zufriedenheit. Wolfgang Schäuble mußte keine Siegermiene zügeln, und er mußte keine Freude vortäuschen: die Inszenierung war einfach gelungen. Der erste Mann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der noch am Wochenende für endlose Verwirrung gesorgt hatte, präsentierte der Bonner Presse am Dienstag abend einen gestärkten Kandidaten. Zweieinhalb Stunden hatte die Fraktion sich mit dem Mann beschäftigt, den sie in der Bundesversammlung im Mai zum Bundespräsidenten wählen soll.

Als Steffen Heitmann, umrahmt von Schäuble und CSU- Landesgruppenchef Michael Glos, danach vor die Kameras trat, war ihm anzumerken, daß er eben ein Bad der Zustimmung genossen hatte. Und der Auftritt vor der Öffentlichkeit war zweitrangig neben dem vor den eigenen Leuten.

Seit Wochen zerrt das Tauziehen um den umstrittenen Heitmann an den Nerven der Union. Daß ihm auch hier Skepsis und Ablehnung entgegenschlägt, ist unter keiner Decke zu halten, und schon gestern ging die Diskussion ungebrochen weiter. Die Wirkung dieser Fraktionssitzung auf die FDP, erst recht auf andere kritische Stimmen kann man getrost vergessen. Doch bemerkenswert war diese Veranstaltung allemal, zeigt sie doch eindrucksvoll, wie hinter den geschlossenen Türen von Parteiversammlungen eine eigene Welt entstehen kann. Und einmal mehr wurde klar, wie gut Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble diese Klaviatur zu bedienen verstehen. Die beiden erfahrenen Regisseure solcher Inszenierungen bedienten sich denn auch des bewährten Instrumentariums. Im Vorfeld sind ein paar Gerüchte – die Fraktion solle eingeschworen werden, Kritiker gerieten unter Druck – recht dienlich, weil das die Spannung aufbaut. Gerüchte dieser Art entstehen übrigens fast von allein. Die Öffentlichkeit tritt an; Kameras, Fotografen, Heerscharen von Journalisten drängen sich im engen Vorraum des Fraktionssaales, um den einziehenden Abgeordneten niederer und höherer Grade ein paar Brocken zu entlocken. Die niederen Grade kommen natürlich zuerst, so der CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Dem ist zu entlocken, daß die Fraktion „munter und beschwingt“ in diese Sitzung ginge. Schließlich rücken die Stars ein: Schäuble, der Kanzler, der Kandidat. Sie sind bester Laune und sagen nichts. Die Regie gewährt der öffentlichen Meinung noch einen langen Blick in den Saal, wo ein strahlender Heitmann neben einem breit grinsenden Kanzler viele Hände schütteln darf. Nun schließen sich die Türen. Eine Stunde später, so ist in Aussicht gestellt, werden Schäuble und Heitmann eine Pressekonferenz geben. Die Stunde dehnt sich, es werden zwei, zweieinhalb. Durch die verschlossenen Türen tropfen Informationen zu den Ausgesperrten: Zehn Minuten hat Heitmann geredet, große Aufmerksamkeit, riesiger Beifall. Johannes Gerster, der Innenexperte, muß wohl gesagt haben, daß nicht alle Juden in Deutschland das Urteil von Ignatz Bubis teilten.

Unter den ersten, die sich zu Wort melden, ist Rita Süssmuth. Ihre Frage, wie Heitmann mit dem Beifall von Rechtsaußen umgehe, soll von Mißfallenskundgebungen begleitet worden sein. Die Heitmann-Beraterin Claudia Conrad, erzählt später, daß Süssmuth und der exponierte Heitmann-Kritiker Friedbert Pflüger ausgebuht worden seien. Jeder, der aus dem Saal kommt, ist für Minuten ungemein wichtig, weil er der informationshungrigen Menge etwas bieten kann. Und im Wechselspiel zwischen drinnen und draußen wird langsam klar: im Saal kommt die Sache so richtig in Schwung. Zwanzig Wortmeldungen, viel mehr als erwartet, darunter der Kanzler. Fast alle reden für den Kandidaten. Und richtig greifbar wird die Pro-Heitmann- Stimmung für die 300 Unionsabgeordneten gerade durch die vier, die sich mit Einwänden zu Wort melden: neben Pflüger und Süssmuth die Hamburgerin Susanne Rahardt-Vahldiek und Immo Lieberoth aus Brandenburg. Nach der Kanzlerrede strömen die Abgeordneten geradezu heraus, während es drinnen weitergeht. Dann verläßt der gewichtige Kanzler die Sitzung, mit einer Miene strahlender Selbstgewißheit. Sonst hat er nichts mitzuteilen. Aber die Botschaft ist jetzt wirklich angekommen. Während die letzten Redner ihre Bekenntnisse noch ablegen, weiß die Welt schon: klarer Punktsieg für Steffen Heitmann in der Union. Wie eindrucksvoll er war, läßt sich daran ermessen, daß einige ihre Vorbehalte widerrufen haben sollen. Für mehr als einen, nämlich den Abgeordneten Würzbach, läßt sich das allerdings nicht verifizieren. Und der Kandidat? Wissen wir mehr über den umstrittenen Unbekannten, der Präsident dieser Republik werden soll, wenn es nach Kohl geht? Eigentlich nicht. Sein Auftritt vor der Presse ist dürftig, er will, er soll nicht viel sagen. Schäuble läßt das Ereignis noch einmal richtig wirken, als Heitmann sich für seine erkältungsgeschwächte Stimme entschuldigt. Er sei froh, daß er sie nicht ganz verloren habe. Der Fraktionschef in die Mikrofone: „Sie haben heute viele Stimmen gewonnen.“ Tissy Bruns