Aspin will neue Nato-Strategie

■ US-Verteidigungsminister kündigt Initiative gegen Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an / Kinkel für Schaffung eines europäischen Sicherheitsraumes mit Rußland und GUS-Staaten

Travemünde (AP/AFP/taz) – Die Nato muß sich nach Ansicht des amerikanischen Verteidigungsministers Les Aspin auf eine völlig neue Strategie einstellen. Vor dem gestrigen Beginn der Herbsttagung aller 15 Verteidigungsminister der Allianz im Ostseebad Travemünde sprach der US-Politiker vor Journalisten von einer „anderen Bedrohung, der wir heute gegenüberstehen. Wir sehen uns heute mit einer Handvoll nuklearer Waffen konfrontiert, die sich in den Händen von Terroristen, Terroristengruppen und terroristischen Staaten befinden.“ Aspin kündigte ein „umfassendes Programm“ an, um der weltweiten Verbreitung von Massenvernichtungswaffen entgegenzuwirken.

Aspin sagte, einerseits sei die Gefahr heute geringer als zu den Zeiten, als sich noch „Tausende von Sprengköpfen“ in der Sowjetunion und den USA gegenübergestanden hätten, weil die Zahl der Nuklearwaffen geringer geworden sei. „Aber es ist heute viel schwieriger, mit der Bedrohung umzugehen, denn wir wissen nicht, wieviel von der alten Technologie noch funktioniert“, sagte Aspin. Er äußerte die Hoffnung, daß die Verbündeten beim Nato-Gipfel im Januar einer entsprechenden Initiative zustimmen werden.

Bei ihrem 54. Treffen wollen die Minister im Kurhaus von Travemünde noch bis heute über aktuelle sicherheitspolitische Fragen und die Zukunft der Nordatlantischen Allianz diskutieren. Neben dem Krieg in Bosnien dürfte vor allem die Öffnung des Bündnisses nach Osteuropa eine wichtige Rolle spielen.

Nato-Generalsekretär Manfred Wörner forderte vor Beginn der Beratungen erneut eine stärkere Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Friedensmissionen. Zur Haltung der Nato im Bosnien- Krieg erklärte Wörner: „Den Menschen droht ein schlimmer Winter. Daher sind wir bereit, Luftschläge einzusetzen für den Fall, daß die Strangulierung von Sarajevo oder anderen sicheren Zonen wiederaufgenommen wird“.

Während sich Verteidigungsminister Volker Rühe vor der Tagung für eine „prinzipielle Öffnung der Nato“ ausgesprochen hatte, wandte sich der pensionierte Vier- Sterne-General Gerd Schmückle gestern gegen eine Öffnung der Allianz für mittel- und osteuropäische Länder wie Polen. Es sei besser, in Warschau, Prag oder Budapest ein „Europäisches Sicherheitsforum“ zu schaffen, in dem westeuropäische Länder und die USA mit den ehemaligen Ostblockstaaten alle Fragen der gemeinsamen Sicherheit in Europa besprechen, erklärte der ehemalige stellvertretende Nato-Oberbefehlshaber.

Für die Schaffung eines europäischen Sicherheitsraums, in dem auch Rußland und andere Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) einen ihren Interessen entsprechenden Platz finden, hat sich Außenminister Klaus Kinkel (FDP) ausgesprochen. Dem Wunsch der mittel-osteuropäischen Staaten, näher an die Nato heranzurücken, sollte in einem stufenweisen Prozeß entsprochen werden. Der Nato-Gipfel im Januar 1994 müsse „hier ein klares Signal geben“.