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Merkwürdig leicht

■ Vor fünfzig Jahren: "Aufstand in Sobibor", arte, Samstag, 20.40 Uhr

Denkbar einfach war der Plan für den Aufstand in Sobibor, 1943. Eine Gruppe russischer Juden war gerade im Lager angekommen, nachdem ein Fluchtplan einiger holländischer Häftlinge entdeckt und mit der Liquidation aller ihrer Landsleute bestraft worden war. Dadurch hatte der Lagerkommandant aber auch sein Arbeitskommando vernichtet, und die Neuankömmlinge aus Rußland sollten einspringen. Einige von ihnen waren Partisanen oder Mitglieder der Roten Armee gewesen, hatten also militärische Erfahrung und sogar die eine oder andere Waffe. Die Idee bestand nun darin, die SS- Leute möglichst gleichzeitig zu erschießen und dann in geordneter Formation aus dem Lager auszuziehen, so daß die ukrainischen Wachmänner keinen Verdacht schöpfen würden. Der Plan schlug fehl, weil gerade die größten Schlächter unter den SS-Leuten, Wagner und Frenzel, nicht gefunden werden konnten.

Panik brach aus unter den Aufständischen, die Ukrainer wurden aufmerksam; von 600 Gefangenen gelang es über dreihundert zu fliehen. Die meisten aber wurden von den Deutschen gefangen, (was ohne die Denunziation durch polnische Bauern nicht möglich gewesen wäre), oder von polnischen Partisanen erschlagen. Nur 35 entkamen wirklich, von diesen überlebten 12 den Krieg.

Der Film, „Aufstand in Sobibor“, beschäftigt sich aber weniger mit dem Aufstand selbst als mit seinem Nachhall bei einigen der noch lebenden Beteiligten. Die niederländische Regisseurin Lily van den Bergh und ihr russischer Kollege Pavel Kogan haben eine merkwürdig leichte Zusammenstellung von Bildern produziert. Da wird viel gelacht, ein bißchen geweint, werden Haare zurechtgestrichen, gekocht, geprostet; man sieht Wasser plätschern, Taxifahrten durch New York, gefillte Fisch. Man sieht Stanislaw Szmajzner halbnackt in seiner brasilianischen Wohnung russische Partisanenlieder hören, während seine Zugehfrau ihm Matzeballsoup kocht.

Dazwischen wird ab und zu Archivmaterial eingeblendet, die Ankunft im Lager, ein Ghettoumzug in Warschau, und an drei oder vier Stellen in Film stockt einem der Atem, weil plötzlich eine Herde Gänse durchs Bild läuft. Was soll das heißen? Daß die, die keinen Aufstand wagten, sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen ließen, so als hätten sie eine Wahl gehabt?

Der Film hätte zeigen können, warum es gerade die „Politischen“ waren, die noch eine Kraft zum Aufstand hatten: Nicht, weil sie militärische Erfahrung hatten, sondern weil man sie nicht so völlig ihrer Identität berauben konnte wie die Unzähligen, die weder besonders religiös noch politisch waren. Um diese Schwierigkeit drückt sich der Film herum, weil er eigentlich nur sagen will, daß nur denen, die sich gewehrt haben, ein angenehmes Leben danach möglich ist. Was zu beweisen wäre. Mariam Niroumand

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