Klassenkampf legt Flieger lahm

Bodenpersonal der Air France wehrt sich gegen Lohneinbußen / Noch keine Kürzung für Piloten / Balladur: „Denkt an Frankreich“  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Feuerlöscher gegen Tränengasgranaten: der Sprühnebel der harten Auseinandersetzungen zwischen Angestellten der Air France und Bereitschaftspolizisten legt den Verkehr auf den Pariser Flughäfen Roissy und Orly lahm. Der Konflikt spitzt sich seit Montag immer mehr zu. Trotz eines großen Polizeiaufgebots gelang es dem protestierenden Personal in Orly am Donnerstag, zeitweilig alle Pisten zu besetzen. Und auch gestern zwang der Streik die französische Fluggesellschaft erneut, fast alle Mittelstreckenflüge zu annullieren. Viele Langstreckenflüge mußten auf andere Flughäfen umgeleitet werden. Für nächsten Dienstag hat auch das Personal der innerfranzösischen Linie Air Inter einen Streik angekündigt. Die täglichen Verluste für Air France werden inzwischen auf über 20 Millionen Mark geschätzt.

Die Angestellten kämpfen gegen den Sanierungsplan, mit dem Air-France-Präsident Bernard Attali das staatliche Unternehmen aus den roten Zahlen führen will. Ende 1992 war Air France mit sechs Milliarden Mark verschuldet, in diesem Jahr dürfte sich das Defizit um mindestens 1,6 Milliarden Mark erhöhen. In den achtziger Jahren hatte die Fluggesellschaft teure neue Flieger bestellt, die sich jetzt nicht rentieren. Um die Gesellschaft zu retten, reiht die Direktion seit drei Jahren einen Sparplan an den nächsten, insgesamt 5.000 Stellen wurden schon gestrichen – ohne Erfolg. Der jüngste Plan will noch einmal 4.000 Stellen und 1,5 Milliarden Mark einsparen. Diesmal werden den Angestellten erstmals auch Einkommenskürzungen zugemutet. „Wir sind es leid, zu hören, daß wir jetzt Opfer bringen müssen, damit die Gesellschaft morgen über den Berg ist“, protestierte ein Frachtarbeiter. „Und jedesmal heißt es: Dies ist die letzte Anstrengung.“

Was die Angestellten jedoch in Rage gebracht hat, ist der Verdacht, daß das Bodenpersonal härter getroffen wird als das Flugpersonal, „diese Herren Piloten und Damen Stewardessen, die es gewohnt sind, in Seide zu schlafen“, so ein aufgebrachter Mechaniker. Für die Streikenden geht es daher auch um Gerechtigkeit. Die Gewerkschaften versuchen die Wut ihrer Basis – der sich auch nicht organisierte Arbeiter angeschlossen haben – zu kontrollieren. Das Flugpersonal soll zwar ebenfalls über 200 Millionen Mark einsparen. Doch während das Bodenpersonal schon im Januar Lohneinbußen erleidet, haben die Verhandlungen mit der Piloten-Gewerkschaft gerade erst begonnen.

Auf Arbeitgeberseite versucht die Regierung, die Zügel in die Hand zu bekommen: Verkehrsminister Bernard Bosson wiederholte mehrfach, daß der Sanierungsplan „nicht reformiert“ werden könne. Am Donnerstag schaltete sich auch Premierminister Edouard Balladur ein, der bislang sein versöhnliches Image pflegen konnte. Er versuchte es mit mildem Patriotismus: „Ich verlange von den Angestellten der Air France, daß sie an unser Land denken. Air France ist ein großes Unternehmen, das unsere Landesfarben trägt.“ Die Streikenden konnte er damit nicht beeindrucken. Ihr Streik ist die erste große soziale Kraftprobe für Balladur.