Hunderte von Leichen treiben im Fluß

■ Chaos nach Putsch in Burundi / Exilregierung fordert Militärintervention / Massaker dauern an

Berlin (dpa/AP/AFP/taz) – Vier Tage nach dem Militärputsch in Burundi ist die Lage in dem ostafrikanischen Kleinstaat völlig außer Kontrolle geraten. Westliche Diplomaten sprachen von einem Bürgerkrieg. Kämpfe haben große Teile des Landes erfaßt, das nach wie vor weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Greueltaten verüben offenbar Angehörige der Armee, die von dem jahrhundertelang herrschenden Minderheitsvolk der Tutsi dominiert wird, wie auch Angehörige der Hutu-Mehrheit: Flüchtlinge erzählten, das Militär habe wahllos Hutu-Zivilisten in Dörfern zusammengetrieben und getötet. Soldaten hätten Granaten in eine Schule und ein Krankenhaus geworfen. Ruandische Journalisten berichteten, sie hätten im Grenzfluß Akanyaru etwa 200 Leichen gesehen. Der Gesundheitsminister der gestürzten Regierung, Jean Minani, sprach von „Völkermord“.

Harvey Le Guillumzis vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz erklärte, er habe 25 verkohlte Leichen in einer heruntergebrannten Schule gesehen. Augenzeugen hätten berichtet, daß Hutu junge Tutsi-Männer in dem Gebäude eingesperrt und es anschließend angezündet hätten. Vermutlich handelte es sich um einen Racheakt für die mittlerweile vom Militär bestätigte Ermordung des frei gewählten Präsidenten Melchior Ndadaye und mehrere seiner Minister durch die Armee. Die Leichen sollen bereits in aller Eile beigesetzt worden sein.

Blutig ausgetragene Konflikte zwischen Hutu und Tutsi haben in der Vergangenheit in Burundi bereits Hunderttausende von Todesopfern gefordert. Ndadaye war der erste Hutu-Präsident in der Geschichte des Landes. Er hatte als Zeichen seiner Absicht, eine Politik der nationalen Versöhnung zu verfolgen, eine Tutsi-Frau, Sylvie Kinigi, zur Ministerpräsidentin ernannt. Sie, der die Flucht in die französische Botschaft gelang, forderte jetzt das Ausland zu einer Militärintervention auf, um die Demokratie im Land wiederherzustellen. In Ruanda hat sich unterdessen eine burundische Exilregierung unter Führung von Jean Minani gebildet. Er appellierte ebenfalls an den UN-Sicherheitsrat, mit internationalen Truppen in dem Land einzugreifen. In Burundi selbst hat ein Bündnis von vier Parteien an die Bevölkerung appelliert, sich gegen die Putschisten zu erheben.

Offenbar unter dem Eindruck der Entwicklung haben sich die Putschisten inzwischen bereit erklärt, die Regierungsgewalt an Zivilisten abzutreten, wenn ihnen im Gegenzug Straffreiheit garantiert wird. Vertreter der Exilregierung haben diese Offerte jedoch abgelehnt und erklärt, die Verbrecher, die demokratisch gewählte Führer ermordet hätten, müßten vor Gericht gestellt werden. Aus Angst vor Massakern sind nach UNO- Angaben bereits mehr als 250.000 der insgesamt 5,5 Millionen Einwohner Burundis in Nachbarländer, vor allem nach Ruanda, geflüchtet. Tausende warten noch an den Grenzen. bg