: „Charakteristisch für autoritäre Regims“
■ Mitglieder der „Dalmatinischen Aktion“ sollen ihr eigenes Büro gesprengt haben
Die „Dalmatinische Aktion“ („Dalmatinska Akcija“, DA) wurde 1990 in Split gegründet. Die Partei, die die Vorsitzende Mira Ljubić-Lorger ins „linke Zentrum“ des kroatischen politischen Spektrums einordnet, fordert für Dalmatien Selbstverwaltung und die Privatisierung der Wirtschaft – nicht ihre Verstaatlichung, wie sie die regierende „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ) betreibt. Die 4.200 meist jungen Mitglieder der DA treten für den Schutz der Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Minderheitenrechte und die Fortsetzung der antifaschistischen Tradition Dalmatiens ein. Bei den letzten Wahlen gelang es der Partei, zusammen mit der „Demokratischen Volksversammlung Istriens“ und dem „Demokratischen Bündnis Rijeka“ einen Sitz im Zagreber Parlament mit Mira Ljubić-Lorger als Abgeordneter zu besetzen. Bei den Regionalwahlen im Februar erhielt sie 16 Prozent der Wählerstimmen und wurde damit drittstärkste Kraft in Dalmatien.
taz: Neun Mitglieder Ihrer Partei sitzen im Gefängnis, die Anklage lautet auf Terrorismus.
Mira Ljubić-Lorger: Am 23. September wurde im kroatischen Parlament eine feierliche Sitzung anläßlich des 50. Jahrestags des Anschlusses Istriens und Dalmatiens an Kroatien veranstaltet. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten diese Regionen zu Italien. Der Parlamentsvorsitzende Stipe Mesić griff dort alle Regionalparteien aufgrund ihres Widerstandes gegen die Zentralisierungspolitik der HDZ in sehr scharfer Form an.
Einen Tag später wurde eines unserer Mitglieder, der 22jährige Jurica Gilić, verhaftet und auf der Polizeiwache zusammengeschlagen. Seine Verletzungen wurden dokumentiert. Am 28. September explodierte um 10 Uhr in unserem Parteibüro in Split eine Bombe, die praktisch das gesamte dreistöckige Gebäude zerstörte. Niemand wurde verletzt.
Am selben Tag wurden einige unserer Mitglieder zur Polizei gebracht und dort zur Arbeit unserer Partei verhört. Von besonderem Interesse war der Aufbewahrungsort unserer Dokumentation, wer die politischen Entscheidungen trifft und ähnliches – aber sehr wenig zur Bombenexplosion. Wenig später wurde Gilić dann nochmals verhaftet, zusammen mit einer Person, die uns völlig unbekannt ist. Beide wurden beschuldigt, die Bombe gelegt zu haben.
Am 5. Oktober wurden weitere sieben Mitglieder unter der Anschuldigung verhaftet, sie hätten in ihren eigenen Räumen eine Bombe gelegt. Ihnen wurde mitgeteilt, daß der vorher verhaftete Jurica Gilić sie mit seiner Aussage belastet hätte. Unter den Verhafteten befindet sich auch unser Anwalt.
Am 10. Oktober wurden zwei weitere Personen verhaftet, unter ihnen mein Ehemann, Srečko Lorger, der zwar Mitglied unserer Partei ist, aber keinerlei Funktion hat und seit dem Frühjahr dieses Jahres die Parteiräume nicht betreten hat. Ich bin absolut sicher, daß der einzige Grund für seine Verhaftung ist, mein Ehemann zu sein. Alle Verhafteten wurden wegen „Terrorismus“ festgenommen, was bedeutet, daß der militärische Untersuchungsrichter für das Verfahren zuständig ist.
Sind die Verhafteten in einem Militärgefängnis untergebracht?
Nein, sie befinden sich in einem gewöhnlichen Gefängnis, aber das Verfahren ist weitaus strenger. Die Kommunikation mit den Angeklagten ist sehr schwierig, nur ein einziges Familienmitglied darf sie einmal wöchentlich besuchen und das nur für zehn Minuten nach vorheriger Genehmigung des Militärgerichts. Die Verteidiger haben längere Besuchszeiten, aber immer nur unter Aufsicht.
Sind sie gemeinsam im Gefängnis untergebracht, und wie werden sie behandelt?
Sie wurden getrennt und werden sehr schlecht behandelt. Einige sind krank, erhalten aber keine Medikamente. Einige wurden geschlagen. Heute morgen habe ich erfahren, daß eines unserer Mitglieder, der 22jährige Jurastudent Dragan Antulov, in seiner Zelle von anderen Häftlingen zusammengeschlagen worden ist.
Es handelt sich klar um einen montierten politischen Prozeß, rechtlich gesehen ist die ganze Sache sehr wacklig. Zuerst wurden unsere Mitglieder beschuldigt, dann begannen die Verhaftungen und Mißhandlungen, und zuletzt schaltete sich der Gerichtsapparat ein – dieses Vorgehen ist charakteristisch für autoritäre Regims. Unsere Partei stört die Regierung, weil sie wahrscheinlich die einzige Kraft in Dalmatien ist, die die riesige Unzufriedenheit formuliert, die wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Situation ständig wächst.
Welche Forderungen haben Sie im Hinblick auf den ganzen Fall gestellt?
Wir fordern nicht die Freilassung der Angeklagten, der Prozeß soll zu Ende geführt werden. Wir verlangen, daß Menschenrechtsorganisationen Beobachter zur Verfügung stellen, die täglich verfolgen, was mit unseren Leuten geschieht.
Ich bezweifle nicht im geringsten, daß man den Verhafteten nichts nachweisen kann. Ich habe nur Angst, ob sie in normalem physischen und psychischen Zustand ihre Freilassung erleben werden. Interview: Zoran Solomun
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