Engagierte Kaffeefahrt

■ Der leicht linkslastige Branchenzwerg Kanal 4 feiert seinen fünften Geburtstag

Wer sich mitternachts durch die Kanäle zappt, dem kann es schon mal passieren, daß er direkt beim Untermieter landet, rein fernsehmäßig jedenfalls. Sonntags um 24 Uhr bei RTL und jeden zweiten Montag um 23.45 Uhr bei Sat.1 ist nämlich Kanal 4 auf Sendung, der leicht linkslastige Kölner Fensterlieferant ohne eigene Sendelizenz.

Angefangen hat Kanal 4 vor genau fünf Jahren ganz programmatisch mit „Ganz unten“, dem Film zum Buch zur guten Tat von Günter Wallraff. „Ganz unten“ wurde von Kanal 4 am 28. Oktober 1988 bundesweit ausgestrahlt – über die Frequenz von RTL (damals noch RTL plus). Denn ebenso wie Sat.1 hatte RTL die Sendelizenz in NRW nur mit der Auflage erhalten, daß auf seiner Frequenz Fenster für weitere Programmanbieter eingerichtet würden. Einige NRW-Filmemacher und -Videoproduzenten nutzten damals diese Chance, um einen eigenen, unabhängigen Sender zu gründen. Zusammen mit einzelnen Vertretern aus dem Musik- und Theaterbereich stellen sie die Gesellschafter von Kanal 4.

Dabei wollte man schon im Namen anklingen lassen, daß man sich den drei öffentlich-rechtlichen Programmen näher fühlte als den Privaten. Auch die Namensähnlichkeit mit dem britischen Fernsehsender Channel 4 ist beabsichtigt: Dem rein kommerziellen Fernsehen der Konzerne sollte ein engagiertes, nicht gewinnorientiertes Kulturprogramm entgegengesetzt werden.

Die sonderbare Zwangsgemeinschaft mit RTL und Sat.1 war dann auch erst einmal harten Bewährungsproben ausgesetzt. Als Kanal 4 beispielsweise im Frühjahr 1989 einige ebenso verwegene wie verwackelte Beiträge über Ost- Punk (aus Leipzig, Dresden, Erfurt und Ostberlin) mit einer Art Selbstdarstellung von Autonomen aus der legendären Kölner Weisshausstraße verrührte, gab es mächtig Ärger. „Feuer und Flamme für diesen Staat“ hatten sich die Weisshaussträßler in dem Beitrag lautstark gewünscht, ohne daß irgendein Moderator oder Sprecher seine Abscheu bekundet hätte.

Für RTL-Chef Helmut Thoma war dies ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien, dem Untermieter wurde kurzerhand gekündigt (was aber nicht klappte, weil er den Untermietvertrag nicht richtig gelesen hatte). Mittlerweile aber hat sich Kanal 4 etabliert, von Reibereien mit den den beiden großen Kommerzsendern ist nichts mehr zu hören. Auch der Dilettantismus, durch den die Geduld der Zuschauer in der Anfangszeit manchmal arg strapaziert wurde, wurde weitgehend abgebaut. Zugleich ist damit auch der einmal selbst gestellte Anspruch verschwunden, Filmhäusern und Medienwerkstätten in NRW ein Forum zu bieten. In den Vordergrund rückte demgegenüber das Herausgeberprinzip: Gesendet wird, was den Machern von Kanal 4 gefällt.

Das Sendeschema ist für Nichteingeweihte jedoch nach wie vor kaum zu erkennen. Manchmal sitzt eben Kleri-Kritiker Karl-Heinz Deschner vor der Kamera und liest sein „Wort zum Sonntag“, manchmal bekommt man irgendwelche Musikvideos serviert, deren Haltbarkeitsdatum eigentlich schon überschritten ist. Aber dann wieder sind Dokumentarfilme im Programm, beispielsweise zum Thema Asyl, die man allenfalls noch auf den Filmfestspielen in Oberhausen oder Duisburg zu sehen bekommt, oder Tanzvideos, die im öffentlich- rechtlichen Fernsehen zwar besprochen, aber nicht gezeigt werden.

Auch das Unterhaltungsmagazin „Donner's Tag“, eine „mediale Bastelei“, die 1991 immerhin mit dem Grimme-Preis bedacht wurde, fällt aus dem Rahmen: Einzelne Splitter der Medienwelt werden da auf witzige und erhellende Art zusammenmontiert, präsentiert von einem Mann mit dem Charme eines Heizdeckenverkäufers namens Rolf Donner. Wer Sonntagnachts den „Donner's Tag“ guckt, versäumt garantiert nichts, spart aber mindestens eine Kaffeefahrt.

Das Geld von Kanal 4 kommt, wie bei anderen Privatsendern auch, von der Werbung, allerdings nicht direkt. Die ihm eigentlich zustehende Werbezeit hat der Sender an RTL bzw. Sat.1 abgetreten und erhält dafür einen entsprechenden finanziellen Ausgleich. Für das Jahr 1993 erwartet Kanal 4 einen Umsatz zwischen drei und vier Millionen Mark – ein Kleckerbetrag, zumal 80 Prozent des Programms mit Eigen- bzw. Auftragsproduktionen bestritten werden.

Die Einschaltquoten sind erstaunlich hoch – nach Angaben von Kanal 4 durchschnittlich 400.000 Zuschauer bzw. 9 Prozent zur Sendezeit. Liegt es daran, daß sonst zu dieser Zeit nur Schrott gezeigt wird, oder bleiben diejenigen, die sich vorher bei RTL die „Playboy Late Night Show“ angeguckt haben, einfach vor der Glotze sitzen? Jürgen Salm