§ 218 – die liberale Interpretation

Die FDP-Politikerin Uta Würfel dementiert „Spiegel“-Darstellung: Beratung soll ohne Fragenkatalog stattfinden / Keine zweite Beratung durch den Arzt, keine Strafe für BeraterInnen  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Uta Würfel, die Mitinitiatorin des 218-Kompromisses, den der Bundestag im letzten Jahr mit Für- und Gegenstimmen aus allen politischen Lagern verabschiedet hatte, war „sehr gekränkt“. Galt sie doch seit dem Wochenende als Umfallerin. Die FDP-Politikerin soll, wie der Spiegel berichtet hat, die wilden Verschärfungen des Abtreibungsrechts, von denen die Union immer noch träumt, akzeptiert und die Karlsruher Auflagen gewissermaßen übererfüllt haben. Würfel rief gestern die Presse zusammen und stellte richtig – so gut es ging. Die Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern sind zwar so gut wie fertig, und bei den „Feinabstimmungen“ am 11.11. geht es nur noch um zwei Einzelfragen, aber ein druckreifes Ergebnis legte Würfel nicht vor. Das Sieben-Seiten-Papier, auf dem die FDP-Politikerin falsche Behauptungen und Sachverhalte gegenüberstellt, referiert eben keinen fertigen Entwurf der Regierungsparteien, sondern die liberalen Interpretationen der Vereinbarungen zwischen CDU/CSU und FDP.

In den 20stündigen Verhandlungen des Wochenendes sei die FDP-Position, nicht aber der Wunschkatalog der Union Grundlage gewesen. Es sei nicht besonders schwierig gewesen, den Koalitionspartner davon zu überzeugen, daß „hier Überregelungen vorliegen“, sagte Würfel. Daß bei der vorgeschriebenen Beratung ein umfangreicher Fragenkatalog beantwortet werden muß, wies Würfel als glatte Falschmeldung zurück. Die Beratung bliebe ausdrücklich „ergebnisoffen“, die Mitwirkung der Frau werde „lediglich erwartet“, nicht erzwungen. Die Beratungsbescheinigung könne auch dann nicht verweigert werden, wenn die Schwangere ihre Gründe nicht darlegen wolle. Und wenn die Frau es will, bleibt die Beratung anonym. Würfel dementierte auch, daß die betroffenen Frauen unmittelbar vor einer möglichen Abtreibung eine „zweite Beratung“ durch den Arzt über sich ergehen lassen müssen. Aber hier war das Gelände schon unübersichtlicher. Der Arzt müsse sich vergewissern – auch das übrigens eine Folge der Rechtsprechung aus Karlsruhe –, daß bei der Frau ein „gefestigter Entschluß“ vorliege, daß sie freiwillig und nicht „genötigt“ gekommen sei, und er muß auf den Schutz des ungeborenen Lebens in der Verfassung hinweisen. Daß das praktisch den Rang einer „zweiten Beratung“ annehmen kann, ist kaum zu bestreiten.

Eine Gesinnungsprüfung der Beraterinnen sei ebensowenig vorgesehen wie Strafandrohungen, so Würfel. Die Anerkennungsvoraussetzungen für Beratungsstellen seien durch Karlsruhe festgelegt. Überprüft, wie im 218-Urteil gefordert, werde im Zweijahresabstand anhand der Jahresberichte, die den Inhalt von Beratungsgesprächen und Hilfsangeboten dokumentieren – anonym, wie Würfel betonte. Die neuen Strafandrohungen für Eltern, Angehörige und Väter, die Schwangere zur Abtreibung auffordern oder ihnen die nötige Hilfe verweigern, haben für Würfel wenig Bedeutung. Das Verfassungsgerichtsurteil habe sie dem Gesetzgeber als normative Bestimmungen auferlegt, im vorliegenden Entwurf seien sie jedoch an so viele Kriterien geknüpft, daß tatsächliche Strafverfolgung unwahrscheinlich sei.