Schmeicheln muß man dem Stein

■ „Jedem Toten möchte ich einen ganz besonderen Stein machen": Der Steinmetzmeister Karl-Heinz Kahnert

„Ich frage nach dem Verstorbenen: War er vielleicht Blumenfreund, Kirchgänger oder Hobbymaler? Und denn kommt das vor, daß man auf den Stein mal eine Palette draufmacht, die Farbtupfer natürlich nur angedeutet. Ich kann ja jetzt kein buntes Grabmal machen.“

Bunt sind sie nicht, die Grabmäler von Steinmetzmeister Karl-Otto Kahnert, aber ungewöhnlich. Breit, schmal, halb rund, eine Stele mit Bruch, zwei Stelen als Paar, mit Bäumen, Vögeln, Schiffen, und niemals blank. „Jedem Toten möchte ich einen ganz besonderen, einen persönlichen Stein mit Aussage machen“, so Kahnert.

Karl-Otto Kahnert ist der Steinmetz vom Waldfriedhof in Blumenthal. Gleich neben dem Parkplatz hat er sich mit seiner kleinen Werkstatt am Friedhof niedergelassen. In weißem Kittel und mit dem braunen Cordhut auf dem Kopf sitzt dort der Meister hinterm Schreibtisch und schwärmt von seinem Beruf.

„Prospekte habe ich ja keine, das wäre ja wie bei C&A einen Anzug kaufen, aber wenn ich die Fotos von meinen Steinen vorhole und den Kunden den Tisch vollege, staunen die, und denn kommt das nachher.“ Die Leute fangen an, von den Lieben zu erzählen, und Kahnert greift sich ein Stichwort. Der Sohn von Frau M. (der in Irland studiert hat), wünschte sich für sie ein irisches Kreuz mit ihrer Lieblingsblume, dem Löwenmäulchen. Vom Ehepaar S. hieß es, daß der Mann gern im Garten war und an der Weser lang spazierte. Die Frau war klein und zierlich und stark im Glauben. Wellen, Wege, Blüten und ein Kreuz in der Mitte schmücken die Abbildung in Kahnerts Hand.

Zu jedem Stein weiß Kahnert eine Geschichte, jeder hat für ihn einen ganz besonderen Wert, „wie eigene Kinder“. Nach dem Kundengespräch geht der Steinmetz auf den Friedhof und guckt sich die Grabstelle an. Dann setzt er sich wieder auf seinen Holzschemel in der Werkstatt und hämmert weiter, und abends im Kämmerlein entstehen erst seine Entwürfe. „Da hat man mal einen passenden Spruch in einem Buch gelesen. Oder man stützt sich auf die christlichen Symbole.“

Zu jeder neuen Idee fertigt Kahnert ein Gipsmodell. Zehn bis fünfzehn Zentimeter sind die groß. Nebendran im Archivschrank fein säuberlich geordnet unendlich viele Rosen, Zweige, Wappen Figuren, Fische, Hände auf Pergamentpapier. Die liegen jetzt in Mehrfachschichten auf dem Schreibtisch. „Es ist ja so — wenn man mal etwas gemacht hat, wirft man es nicht weg. Das ist dann schon fast gemein, wenn die Leute meinen, sie müssen einheitlich sein, und ich zeige ihnen dies alles.“

Steinmetz Kahnert haßt die Industriesteine, weil die oft wie Todesanzeigen aussehen. Und ganz schlimm findet er es, wenn die Grabsteine zu Reklameschildern werden, wenn ihm die Namen schon am Friedhofseingang entgegenschießen. „Wenn einer Willi Lang heißt, kann ich doch schon einen schmaleren Block nehmen. Oder ich setze den Namen auf die Rückseite. Die Friedhofsbestimmungen sind nämlich gar nicht so streng. Man muß nur für seine Ideen kämpfen.“

Vor sechzig Jahren etwa war Bremen in der Grabmalgestaltung führend gewesen, erzählt Kahnert. Damals waren gar keine blanken, glänzenden (laut nennt er sie) Steine zugelassen. Und man bevorzugte Steine, die patinieren, also an die Vergänglichkeit erinnern. Wie der heimische Obernkirchner Sandstein. Karl-Heinz Kahnert bestellt sich seine Steinblöcke weltweit.

Hier fängt der Meister die meisten seiner Kunden. Oder sie kommen begeistert von ihren Friedhofsgängen zurück. Neun von achtzehn Qualitätszeichen der Bremer Steinmetzinnung hat der Blumenthaler zusammen mit seinem Sohn in all den Jahren eingeheimst. Und so einige Urkunden von Bundesgartenschauwettbewerben. Trotzdem sind die Kahnertschen Steine nicht unbedingt teurer als die vom Katalog.

Jeden Tag mit dem Tod zu tun haben, na ja, das sei für ihn normal. Manchmal aber bewege es ihn doch, vor allem bei Kindern. „Da muß man dann nun nicht gerade den traurigsten Grabstein machen. Ich habe da zum Beispiel mal einen Marmorstein geschliffen. Wie ein Eis, das man ablutscht. So einen Grabstein muß man streicheln, man muß ihm schmeicheln können.“ Silvia Plahl