: Das Geschäft der Regierenden
■ betr.: „Obdachloser erdrosselt“, taz vom 8.10.93, „Wir sind für Rechte und für Linke da“, taz vom 9.10.93
Zwei Berichte aus Halle/Saale in zwei aufeinanderfolgenden taz- Ausgaben. Die wenigsten werden beide Artikel in einen Zusammenhang gestellt haben (wer erinnert sich heute noch der Nachrichten von gestern?) – und doch gehören sie zusammen, ist das Interview erst richtig aufschlußreich, wenn wir die Meldung über den Obdachlosen-Mord vor Augen haben.
Zur Erinnerung: Am 8.10. meldet die taz, daß zwei Jugendliche – 15 und 16 Jahre alt – einen Obdachlosen brutal mißhandelt und anschließend an einem Dachbalken aufgehängt haben. Einen Tag darauf dann ein unkritisches taz- Interview mit einer die „akzeptierende Jugendarbeit“ (heißt: rechtsextreme Jugendliche werden nicht ausgegrenzt, es wird versucht, ihnen „andere Orientierungen anzubieten, ohne sie zu belehren“) propagierenden Streetworkerin. Ihr Fazit: „Nach drei Jahren hat es eine Befriedung gegeben. Wir haben zwar auch weiter Jugendliche, die sich „national“ orientieren, aber es gibt keine rechtsradikalen gewalttätigen Übergriffe mehr in Halle.“
Möglich, daß das Interview vor dem 8.10. geführt wurde. In diesem Fall haben wir es nicht mit blanker Ignoranz und Vertuschung rechter Jugendgewalt zu tun (deren zweithäufigste Opfergruppe seit 1989 neben den Nicht-Deutschen die Obdachlosen sind), aber mindestens noch mit naiver pädagogischer Schönrednerei. Das rechte Auge ist bei dieser im Modetrend liegenden neuesten pädagogischen Welle allemal blind, wenn gesprayte Parolen wie „Rote ab ins Gas“ und Überfälle auf linke Jugendliche in Halle und Umgebung nicht wahrgenommen werden.
So werden die Täter zu Opfern. Die „akzeptierenden“ SozialarbeiterInnen kennen keine rechten Jugendlichen mehr, sondern nur noch „gefrustete und gewaltbereite“ Jugendliche, ein Obdachlosen-Mord ist eben eine „rechte Provokation“. Es entsteht ein staatstragendes Wunschdenken, das von „Befriedung“ spricht und Konflikte verharmlost. Schließlich endet es regelmäßig mit der Gleichsetzung von rechts und links (von einem Obdachlosen-Mord durch die linksautonome Szene habe ich jedoch merkwürdigerweise noch nie etwas gehört – obgleich ich mir sicher bin, daß sich die Medien und Akzeptanz-PädagogInnen gierig darauf stürzen würden!).
JugendarbeiterInnen, die so argumentieren, müssen jedoch wissen, daß sie, gewollt oder ungewollt, das Geschäft der Regierenden übernehmen, indem sie einen eben nicht nur „zufälligen“ Rassismus (dieses Wort kommt im Interview gar nicht vor) oder Rechtsextremismus verdrängen und verleugnen. Gerald Grüneklee, Sehnde
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