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Streit zwischen DDR-Bürgerrechtlern

■ Im Konflikt um Stasi-Akten wirft Werner Fischer Schorlemmer Verrat vor

Berlin/Bonn/Köln (AFP) – Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat mit seinem lauten Nachdenken über eine Schließung der Stasi-Archive eine bittere Kontroverse unter früheren DDR- Bürgerrechtlern ausgelöst. Der ehemalige DDR-Regierungsbevollmächtigte zur Stasi-Auflösung, Werner Fischer, forderte gestern, den Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer „deutlich in die Schranken zu weisen“, nachdem dieser sich für eine Vernichtung der Stasi-Akten ausgesprochen hatte.

Sieben frühere DDR-Bürgerrechtler und heutige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen beschuldigten Schorlemmer, „die Ideale der Bürgerbewegungen auf dem Altar der Kollaboration“ zu verbrennen.

Schorlemmer hatte unlängst gesagt, er würde die Stasi-Akten „am liebsten einem großen Freudenfeuer anvertrauen“. Dies solle aber erst zum 1. Januar 1996 geschehen, damit eine weitestgehende Rechtsgleichheit erreicht werden könne. „Die Beunruhigung nach rückwärts nimmt uns so viel Kräfte, die wir brauchen, um die Gegenwart zu gestalten“, begründete der diesjährige Friedenspreisträger des Buchhandels seinen Vorstoß.

Fischer bezeichnete Schorlemmer als „selbsternannten Sprecher und von den Medien zum moralischen Übervater aller Ostdeutschen hochstilisierten Narziß“, der zu DDR-Zeiten „mitnichten die Rolle spielte, die ihm heute dank seiner kräftigen Unterstützung angedichtet wird“. Schorlemmer sei unter dem schützenden Dach der Kirche nie in die Fänge der Stasi geraten und wisse nicht, wovon er rede.

Die Abgeordneten Vera Wollenberger, Konrad Weiß, Wolfgang Ullmann, Werner Schulz, Gerd Poppe, Ingrid Köppe und Klaus-Dieter Feige erklärten, Schorlemmer befinde sich in einer „im schlimmsten Sinne des Wortes bemerkenswert großen Koalition“ mit Stasi-Spitzeln und dem Bundeskanzler und spreche nicht im Namen der Bürgerrechtler.

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