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„Schwulsein ist keine Freizeitangelegenheit“

■ taz-Gespräch mit dem ersten niedersächsischen Schwulenreferent: Die Bilanz seiner Arbeit

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Seit eineinhalb Jahren gibt es mit Hans Hengelein den ersten Schwulenreferenten in Niedersachsen. Die rot-grüne Koalition hat diese Stelle beim Sozialministerium neu eingerichtet. Laut Koalitionsvertrag ist es die Aufgabe des 38jährigen Diplom-Psychologen, der „rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Schwulen entgegenzuwirken“. Hengelein arbeitete von 1984 bis 1987 für die Bundestagsfraktion der Grünen. Danach war er bis 1991 Referatsleiter der Deutschen—Aidshilfe in Berlin.

taz: Hat sich das gesellschaftliche Bild von Schwulen und Lesben in den letzten Jahren geändert?

Hans Hengelein:Geändert hat sie sich in zwei unterschiedliche Richtungen: Schwule und Lesben treten in den Medien, in der Politik und auch in der Wirtschaft mehr in Erscheinung, klagen ihre Rechte ein — empfinden sich nicht nur als Opfer. Gleichzeitig rückt dadurch auch die negative Seite stärker ins Bewußtsein, zum Beispiel die lange Zeit tabuisierte Gewalt gegen Schwule und Lesben.

Gibt es auf dem Weg zur rechtlichen und sozialen Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen greifbare Fortschritte?

Bevor ein Fortschritt erzielt wird, ist es Vorraussetzung, daß in der Bevölkerung Bewußtsein darüber vorherrscht, daß Ungleichbehandlung überhaupt vorhanden ist. In diesem Prozeß befinden wir uns erst. In den Kernpunkten sind wir in den letzten beiden Jahren gescheitert. In der neuen gesamtdeutschen Verfassung konnten wir in Bezug auf Artikel 3 und Artikel 6 — also dem Grundsatz, daß nur die Ehe schützenswert ist — keine Änderung durchbekommen. Das müssen wir als Niederlage konstatieren. Wo wir aber in diesem oder im nächsten Jahr Erfolg haben werden, ist die Streichung von Artikel 175.

Hat Rot-Grün tatsächlich die im Koalitionsvertrag vereinbarten „institutionellen und finanziellen Voraussetzungen“ geschafft, um der Diskriminierung entgegenzuwirken?

Natürlich nicht genug. Ich hatte 1992 eine Finanzausstattung von 100.000 Mark, '93 von 150.000 Mark und '94 von 250.000 Mark. Das Ziel muß eigentlich sein, daß die Regelfinanzierung für Aktivitäten aus dem Bereich kommt, wo sie hingehören. Wenn zum Beispiel schwule Kulturwochen stattfinden, gehört die Finanzierung ins Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Dadurch lernt auch die entsprechende Verwaltung, daß Schwulsein keine Freizeitangelegenheit ist.

Was haben Sie in Ihrer Funktion als Schwulenreferent effektiv erreicht?

Das Geld, das ich erhalte, wird verwendet für den Aufbau von nicht kommerziellen Schwulenzentren, für Workshops, öffentliche Veranstaltungen, Broschüren und Studien etwa zum Thema Gewalt. Zudem werden Gelder dazu verwendet, schwule Gruppen und Projekte miteinander zu vernetzen. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Schwulen Forum Niedersachsen. Finanzielle Unterstützung erhalten wir noch vom Wissenschaftsministerium für die Kulturförderung und vom Bundesratsministerium für die Geschichtsaufarbeitung im schwulen Bereich.

Wird es auch in der nächsten Legislaturperiode den Schwulenbeauftragten Hans Hengelein geben?

Von meiner Seite schon. Wir stehen ja bei vielen Dingen erst am Anfang.

Fragen: Carsten Krebs, Danyel Reiche

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