: Die Raubkatze hat Šešelj ausgebootet
Interpol sucht den serbischen Freischärlerführer Arkan noch immer, zu Hause hat er als Abgeordneter gute Chancen auf einen Sitz in der nächsten Belgrader Regierung ■ Aus Wien Karl Gersuny
„Das ist ein tiefer Sumpf“, schimpft Gordan Jovanović, „die Mafia regiert, und alle stecken mit ihr unter einer Decke.“ Der Belgrader Radioredakteur hat guten Grund für seine Erregung. Seit Jahren moderiert er beim alternativen Stadtsender „B-92“, einer Station, die versucht, Gegenpower zur gleichgeschalteten Rundfunkberichterstattung in Serbien über den Äther zu schicken. Doch damit ist es, zumindest derzeit, vorbei. Gordan und ein Teil seiner Kollegen sind im Streik, seitdem durchsickerte, daß der Freischärlerführer Željko Raznatović, genannt „Arkan“, im Alternativradio mehrere Stunden Sendezeit einkaufte.
Möglich wurde dies, weil ein Teil der Kollegen und der Direktor des Minisenders auf ein Angebot des Warlords reagierten. Harte Devisen bot Arkan dafür, seiner am 3. November gegründeten „Stranka Srpskog Jedinstva“, zu deutsch „Partei der Serbischen Einheit“, bis zu den Parlamentswahlen am 12. Dezember unbegrenzte Werbezeit zu gewähren. Wie viele Dollar über den Tisch gezogen wurden, ist derzeit noch unbekannt, klein kann die Summe jedoch kaum gewesen sein. Denn als andere Oppositionsparteien bei B-92 ebenfalls um Werbespots nachfragten, bekamen sie zu hören, der Sender werde keinerlei Parteipolitik unterstützen, um so die Unabhängigkeit der Berichterstattung zu wahren. Auf Werbeeinnahmen sei man nicht angewiesen.
Der Haudegen mit dem Spitznamen „Arkan“, was zu deutsch soviel wie „die Raubkatze“ bedeutet, befindet sich derweil schon im Siegesrausch. Es gelang ihm sogar, noch weitere Rundfunksender und Zeitungen zu bestechen. Auch „Radio Pančevo“ und „Radio Priština“ machen täglich für Arkans neufaschistische Truppen Propaganda. Dort wird der von Interpol mittlerweile auch als Kriegsverbrecher gesuchte Warlord als „Erneuerer des Serbentums“ und als „Vereiniger aller serbischen Länder“ gefeiert. Denn Arkan, der mit 14 Jahren erstmalig wegen Einbrüchen in den Knast mußte, hat aus seinem politischen Ziel nie ein Hehl gemacht: die serbisch besetzten Gebiete Kroatiens und Bosniens zu einem Großserbien zu vereinigen. Danach soll auch der Kleinstaat Makedonien an dieses Balkanreich angeschlossen werden, so die Devise des mittlerweile 39jährigen Kriegers.
Gefährliche Träumereien, die in Serbien weit verbreitet sind. In den letzten drei Jahren war dafür Vojislav Šešelj, ein nicht weniger fanatischer Freischärlerführer, zuständig gewesen. Dessen Miliz hatte die großserbischen Träume auch auf den Kriegsschauplätzen brutal in die Tat umgesetzt. Doch nun scheint Šešelj bei den Militärs in Ungnade gefallen zu sein – Arkan rückt nach. Es scheint gar, als strebe Slobodan Milošević, Chef der exkommunistischen „Sozialistischen Partei“ und Präsident Serbiens, mit dem Rechtsaußen Arkan eine neue Regierung an. Bis vor kurzem gab es ein solches Bündnis zwischen Šešeljs „Radikaler Partei“ und Milošević, bis letzterer erkannte, daß sein Zögling immer mächtiger wurde und zum Nebenbuhler avancierte.
Milošević wußte sich zu helfen: In den letzten Wochen ließ er etwa 30 Šešelj-Mitstreiter unter dem Vorwurf verhaften, sie seien in Bosnien in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen. Eine Anschuldigung, die auf Arkans Leute nicht minder zutrifft – doch die blieben unbehelligt. „Der Grund ist einfach“, meint Radioredakteur Jovanović, „beide sind für die Militärs nützliche Idioten, die die Drecksarbeit verrichten. Der Unterschied ist bei Arkan, daß der auch noch die Mafia hinter sich hat.“
Für den B-92-Mitarbeiter ist das jedoch nicht das größte Problem im heutigen Serbien: „Die Opposition ist genauso korrumpiert wie das Regime und seine Vasallen, und da jede politische Alternative fehlt, wird auch nach der Wahl am 19. Dezember alles beim alten bleiben.“
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