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Im Düsseldorfer Landtag gedeiht Sexismus pur

■ Abgeordnete wollen bei Chauvi-Sprüchen nicht mehr schweigen

Düsseldorf (taz) – „Wer sich der Frau Höhn an die Brust wirft, darf sich nicht wundern, daß sie festhält und klammert.“ Mit Blick auf den Düsseldorfer CDU-Oppositionsführer Helmut Linssen wählte der nordrhein-westfälische Umweltminister Klaus Matthiesen diese Formulierung in der vergangenen Woche im Düsseldorfer Landtag, um das schwarz-grüne Bündnis im Dortmunder Dioxin-Skandal lächerlich zu machen. Laut Protokoll löste der Spruch im Parlament „große Heiterkeit“ aus. Gar nicht lustig fand Bärbel Höhn, Fraktionssprecherin der Grünen, Matthiesens Wortwahl. Was die grüne Abgeordnete als „sexistisch“ und einer „parlamentarischen Debatte unwürdig“ einstufte, wertet Matthiesen auch im nachhinein als „eine gebräuchliche Bezeichnung dafür, sich jemandem auszuliefern“. Zu der von Höhn geforderten Entschuldigung mochte Klaus Matthiesen sich allerdings bis heute nicht durchringen.

Im Düsseldorfer Landtagsbiotop gedeihen sexistische Zoten aller Art offenbar besonders gut. Sie habe in ihrer 15jährigen Beruftstätigkeit „nie so frauendiskriminierende Sprüche wie im Düsseldorfer Landtag“ gehört, klagte die Abgeordnete in einem Brief gegenüber der Landtagspräsidentin. Durch Matthiesen ermuntert fühlte sich nach den Worten von Höhn ganz besonders der Dortmunder SPD-Abgeordnete Gerhard Wendzinski (58). Höhn wörtlich: „Der ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich einen BH trage oder nicht, und ob mein Busen weich oder hart ist.“ Der SPD-Mann sei bei ihr einschlägig bekannt. Schon während einer Abgeordnetenreise nach Straßburg im Jahr 1991 habe er sie übel angemacht. Daß Bärbel Höhn Mutter zweier Kinder ist, soll er so kommentiert haben: „Die sind doch sicher adoptiert.“ Wendzinski bestreitet, diese Sprüche losgelassen zu haben. Verklagen will er Bärbel Höhn, die bereit ist, ihre Darstellung zu beeiden, aber nicht.

Auf Initiative von Höhn haben die frauenpolitischen SprecherInnen aller Fraktionen am Donnerstag abend zusammen mit der Landtagspräsidentin ein erstes Gespräch über den im Landtag grassierenden Sexismus geführt. Mit dem Schweigen über die „widerlichen Stammtischzoten“ (Höhn) soll es jetzt offenbar ein Ende haben. Als ersten Schritt fordern die Parlamentarierinnen eine Frauenbeauftragte im Landtag einzusetzen. Walter Jakobs

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