: 1/2 Stunde halbnackt im Flur
■ Wie in Bremen „Krankenhaus-Controller“ die Qualität der Pflege optimieren
Sie sollten heute früh Ihren Blinddarm entfernt bekommen? Man hat Sie zwei Stunden in Ihrem Zimmer auf den Transport zum Operationssaal warten lassen? Und Sie dann halbnackt auf einer Liege eine weitere halbe Stunde im Flur geparkt? Und dann wurde die Operation auf morgen verschoben?
Dann ist Ihr Fall klassisch für mangelhafte Arbeitsorganisation im Krankenhaus. Nach solchen Schwachstellen sollen nun im Rahmen eines Modellprojektes in den vier kommunalen bremischen Krankenhäusern eigens dafür eingestellte ÄrztInnen, PflegerInnen oder auch PsychologInnen fahnden. „Controller“ würden sie in der Industrie genannt, wo Qualitätszirkel und eine Überprüfung der Arbeitsabläufe seit Jahren zum A und O gehören. Neu ist die Aufgabe der „Krankenhaus-Controller“: „Es gibt eine Reihe offensichtlich verbesserungsbedürftiger Routinearbeiten, die sich einfach so eingeschliffen haben. Doch man schafft so gerade eben die tägliche Arbeit - da hat man keine Zeit mehr dafür, über optimale Arbeitsabläufe nachzudenken“, sagt Dr. Peter Kruckenberg, ärztlicher Direktor im ZKH Bremen-Ost. Genau diese Aufgabe sollen die neuen „Controller“ zusammen mit dem Krankenhauspersonal angehen. Sie sollen Organisationsabläufe analysieren, Verbesserungsvorschläge ausarbeiten und diese auch umsetzen. Das Ergebnis kann zum Beispiel heißen, nicht mehr bei jeder Patientin zweimal täglich Fieber zu messen. Oder zu untersuchen, welche Risikofaktoren zu einer Infektion nach einer Operation führen können und diese auszuschalten. Oder das Patienten- Aufnahmeverfahren in einer psychiatrischen Abteilung vollkommen anders zu gestalten. Oder den Transport zum OP reibungsloser zu organisieren.
„Es geht nicht darum herauszufinden, wo Personal eingespart werden kann“, sagt Dr. Matthias Gruhl vom Gesundheitsressort. „Das Verfahren kann auch dazu führen, daß Patienten sich besser versorgt fühlen.“ Das Stichwort für die Krankenhäuser lautet „Qualitätssicherung der Patientenversorgung“ - ein besetzter Begriff, protestierte doch die ÖTV gegen das Gesundheitsstrukturgesetz mit dem Argument, daß ebendiese Qualität nicht mehr gesichert sei. Eine „Qualitätssicherung“ soll zwar sogar per Gesetz erfolgen: Allerdings ist damit eine vergleichende Kontrolle der Leistungen verschiedener Krankenhäuser gemeint - hauptsächlich unter finanziellen Gesichtspunkten. Um das „Pferd nicht von hinten aufzuzäumen“, so Gruhl, hat Bremen nun dieses Modellprojekt beim Bund beantragt und 1,5 Millionen Mark für die nächsten drei Jahre bewilligt bekommen: Erst entwickeln die bremischen Krankenhäuser nun eine interne Maßstäbe, bevor sie mit externen gemessen werden. Ein Vorteil für kommende Verhandlungen ums Jahresbudgets: Unter ökonomischen Druck kann besser argumentieren, wer belegen kann, daß er nur Sinnvolles tut. skai
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