: „Ethische Impulse“ für Jugoslawien
■ Pax-Christi-Vordenker Garstecki in Bremen / Ein Plädoyer für Gewaltlosigkeit
Wie bei Kirchens üblich, so sparte man auch am Donnerstag abend an der Heizung. Einige der zahlreichen (und betagten) ZuhörerInnen zogen ihre Jacken im St.-Stephani- Gemeindehaus gar nicht erst aus. Dafür waren die Thesen des geladenen Referenten umso heißer. Joachim Garstecki, Generalsekretär der deutschen Sektion von Pax Christi, einer 1945 ins Leben gerufenen katholischen Friedensorganisation, sollte eine Antwort finden: „Zwingt der Jugoslawien- Krieg zum Umdenken?“ Garsteckis Befund: Ja, „das Denken zwischen Pazifsimus und Bellizismus muß aufgegeben werden“.
Das doppelpolige Weltbild stamme aus der Zeit des Kalten Krieges und sei für die chaotischen Verhältnisse der sogenannten 'Neuen Weltordnung' unzureichend. Schließlich offenbare der Jugoslawien- Krieg täglich aufs neue, daß es einerseits keine 'politischen Lösungen' gebe. Andererseits zeige aber der Blauhelm-Einsatz in Somalia einmal mehr, daß Soldaten unfähig seien, Konflikte zu lösen. Zumal, so der Pax-Christi-Mann, wenn die Bürgerkriege aus ethnischem Haß geführt würden.
Die Konfliktlage hat sich völlig verändert: Der West- Ost-Konflikt war von der Konkurrenz zweier Gesellschaftssyteme – Kapitalismus und Kommunismus – geprägt. In den aktuellen Konflikten gehe es fast ausschließlich um Volkszugehörigkeiten. Gegen diese irrationale Wut seien alle Friedensinstrumente, die unter dem Eindruck des West-Ost-Konfliktes erdacht worden seien, stumpf. Mit dem Wandel der Kriegsgründe müsse auch neu über den Frieden nachgedacht werden.
Die Lösung, die der Friedensbewegte anzubieten hatte, klang zunächst ziemlich banal: Das Dilemma zwischen Unfähigkeit der Politik und Unfähigkeit der Generale zur Befriedung ethnischer Konflikte mache Undenkbares denkbar: einen Verzicht auf alle Gewalt. Der Theologe beteuerte zwar, daß „die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ angesichts des Grauens in Südost-Europa nur schwer zu ertragen sei. Aber zum bloßen Zuschauen verurteile diese Hilflosigkeit noch lange nicht.
Garstecki sah neue Aufgaben auf beide Großkirchen und die Friedensbewegung zukommen: Sie sollten „ethische Impulse“ geben, auf deren Grundlage „lebensfreundliche“ politische Entscheidungen getroffen werden könnten. Dem Referenten war klar, daß dies nur in langen Zeiträumen zu erreichen sei. Aber die Befürworter einer militärischen Intervention seien von vornherein zum Scheitern verurteilt, befand er. Gerade in der Diplomatie seien im ehemaligen Jugoslawien viele Dinge nicht konsequent geahndet worden: Das Scheitern des Serbien- Embargos und die Selbstdarstellungs-Shows der Kriegsparteien in Genf bespielsweise. Das Gerede der Militärs vom 'Eingreifen' solle nur deren eigene Ohnmacht und Einfallslosigkeit verschleiern. Auf die höflich verklausulierte Nachfrage, ob das Eingestehen der Hilflosigkeit denn alles sei, was man tun könne, antwortete der Pax- Christi- Sekretär mit einem chinesischen Sprichwort: „Es ist besser, ein Licht anzuzünden, als weiter in der Dunkelheit zu tappen.“ Arvid Friebe
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