Flaute am "Walter-Schalter"

■ Ikea-Möbelhaus in Waltersdorf wird eine Woche lang eröffnet / Eine Werbeaktion, die alle Berliner mit dem Familiennamen Walter anlocken soll, ist jedoch ein Flop

Gertrud Walter sah sich schon Elche knipsen. „Hallo, ich heiße Walter – ich hab' die Schweden- Reise gewonnen“, ruft sie der Ikea-Angestellten am anderen Ende der Leitung ins Ohr. Eben hatte Getrud Walter einen Ikea- Werbespot im Radio gehört. Gemerkt hat sie sich nur: „Verlosung, Schwedenreise, der Name Walter gewinnt.“ Und weil das Ehepaar im Werbespot genauso heißt wie sie und ihr Mann, „der Horst“, war für Gertrud Walter klar: „Wir haben gewonnen.“ „Aber Frau Walter, so schnell geht das nicht“, erklärt die Ikea-Angestellte, als ob sie zu einer Vorschülerin spricht. „Sie müssen erst zu unserer Verlosung nach Waltersdorf kommen.“

In der 820-Seelen-Gemeinde bei Schönefeld hat Ikea am 15. November ein neues Möbelgeschäft eröffnet. Der blaue Stahlbetonbau war der letzte unter den sieben Klötzen, die den „Einkaufspark“ Waltersdorf bilden. Täglich rollen nun 15.000 Autos an der Gemeinde vorbei auf das 350.000 Quadratmeter große Areal. Um den Parkplatz zu verlassen, brauchen die Besucher an Wochenenden 40 Minuten – Ausverkauf in Waltersdorf.

Die Hosteß am „Walter-Schalter“ im Ikea-Restaurant langweilt sich. An diesem langen Donnerstag hatte sie damit gerechnet, von Walter-Familien überrannt zu werden. Doch die rund 3.000 Walters, die allein im Telefonbuch zu finden sind, haben offenbar Besseres zu tun. Die Hosteß ist gut gerüstet. Zu ihren Füßen liegen 26 Polaroid-Filme – 260 Fotos. Sie verknipst gerade den zweiten Film. Um halb fünf kommen die Walters Nummer 15, 16 und 17. „Bei so wenig Walters sind die Chancen ja noch besser als im Lotto“, feixt Herr Walther und lacht sich schlapp. Wo er denn von dem „Walter-Schalter“ gehört habe, will die Hosteß wissen. „Wir wollten gerade ins Auto steigen, da springt der Nachbar aus seinem Haus und schreit: ,Die suchen Walters bei Ikea.‘ Na, wir sofort ins Auto und hin.“

Zur Eröffnung ist auch der private Radiosender r.s.2 gekommen. Die Werbeagentur, die von Ikea zur Eröffnung engagiert wurde, hat mit dem Sender einen Vertrag geschlossen. „Die machen ihr normales Programm, außer daß sie alle halbe Stunde sagen, daß sie bei Ikea sind“, erzählt die Promotion- Leiterin der Agentur. Der junge Moderator hat das mit der unauffälligen Produktwerbung nicht verstanden. „Ikea in Waltersdorf – das Einkaufszentrum der Zukunft“, wirbt er ganz direkt, und, völlig enthemmt: „Hallo Leute, Einkaufen in Zukunft nur noch bei Ikea, o.k.?“ Kurz vor dem Ende seiner Moderation läßt der Junge von r.s.2 das „absolute Chaos“ ausbrechen. „Blonde Schwedinnen rennen hier mit riesigen Keksen rum“, grölt er. Die drei Zuhörer im Ikea-Foyer schmunzeln. Kekse gibt es schon lange nicht mehr. Das kleine Karussell vor dem Eingang hat seinen Betrieb eingestellt. Es fuhr die letzten 20 Minuten nur noch für einen unersättlichen Jungen. Die Hosteß am „Walter- Schalter“ hat keine Lust mehr. Bei ihrer letzten Losaktion hätten die Leute sie fast überrannt, erzählt sie. „Die wurden zu Tieren.“

Auch die Loschners aus Waltersdorf gehen nach Hause. Sie haben „nur mal geschaut“. Herr Loschner ist arbeitslos, seine Frau arbeitet halbtags beim Gericht. „Das ist uns hier ein bißchen zu teuer“, sagt sie leise. Nils Klawitter