Saarvoir vivre

■ Uff'm Trottwar: Ein kenntnisreicher und spannender Führer durch die Saarbrücker Stadtlandschaft aus dem VSA-Verlag

Der Band „Saarbrücken zu Fuß“ folgt dem Konzept der VSA- Verlagsreihe, deutsche Städte auch in ihrer touristikfernen Peripherie zu begehen und dabei neben der Kulturgeschichte die Alltags- und Sozialgeschichte lebendig werden zu lassen.

Dies ist im vorliegenden Fall gelungen. Die AutorInnen der 17 Stadtteilrundgänge sind kompetent im Detail und nicht ohne kritische Distanz zu ihrem Gegenstand. Saarbrücken, die Residenz-, Industrie- und Handelsstadt, wird aber auch vor allem als Grenzstadt sichtbar: Ehemals Objekt des preußischen wie des französischen Nationalismus, pflegt sie heute ihr grenzübergreifendes europäisches Image. Die Stadt wird von preußischen Straßennamen, Repräsentations- und Industriebauten ebenso geprägt wie von importierter französischer Gastronomie und dem einheimischen „saarvoir vivre“.

Neben der Begehung einzelner Viertel enthält der Band auch einen gut recherchierten Frauenrundgang, eine Reihe von Themenkästen zu einzelnen Saarbrücker Institutionen (Universität, Medien, Kleinkunst- und Musikszene), zur Kulturlandschaft und Stadtgeschichte. Die Schwarzweißfotos sind signifikant und pfiffig ausgewählt – mit Ausnahmen: So hätte uns der Mitherausgeber Jürgen Albers die Peinlichkeit ersparen können, sich selbst inmitten seiner „katholischen Beat-Band“ aus den sechziger Jahren unter dem Schwachsinnstitel „Der Punk der frühen Jahre“ abzubilden. Und war es notwendig, uns mit dem Zahnpastalächeln des DFB- Funktionärsungeheuers Hermann Neuberger zu konfrontieren?

Besonders gelungen: der Gang durch die Alternativ- und Kleinstkunstszene im Nauwieser Viertel von Johannes Menard und der kunstgeschichtlich sehr sachkundige Streifzug durch Alt-Saarbrücken von Ursula Blaß. Hier lernt man das Saarbrücken des 18. Jahrhunderts kennen, inzwischen auch ein Geheimtip für Kneipologen. Geschlampt dagegen hat Klaus Bernarding in seinem Themenkasten über den 1. FC Saarbrücken: Der pfälzische Dorfclub SV Alsenborn durfte eben wegen des FCS seinerzeit nicht in die 2. Liga, und Egon Schmitt war auch kein Nationalspieler, sondern spielte lediglich in der DFB-Amateurauswahl.

Ein Nachteil des Bandes insgesamt: für einen Nicht-Saarbrücker sind die Rundgänge von sehr unterschiedlichem informativem Gewicht. Reine Wohngegenden wie der Rodenhof oder Außenbezirke wie Gersweiler können sich an urbaner Dichte nicht mit St. Johann (der eigentlichen City), dem Nauwieser Viertel oder Alt-Saarbrücken messen. Hier hätte ein einführender Überblicksartikel Orientierung schaffen können.

Dennoch: Wer die saarländische Landeshauptstadt nicht nur zum Max-Ophüls-Festival besucht, sondern sich Zeit nimmt, sie mit Muße „uff'm Trottwar“ (reichsdeutsch „auf dem Bürgersteig“) zu begehen, findet Anregungen satt. Auch der Rezensent, mit immerhin 26 Jahren Saarbrücken-Erfahrung auf dem Buckel, hat noch viel Neues gelernt. Robert Zimmer

Jürgen Albers/Ursula Blaß/Dirk Bubel/Harald Glaser (Hrsg.): „Saarbrücken zu Fuß. 17 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart“, VSA-Verlag, Hamburg 1989, 269 Seiten, 29,80 DM