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Volle Bahn ist nicht volle Kasse

■ Lichthimmel in der Mönckebergstraße /Flaniermeile mit Boulevardcharakter   Von Vera Stadie

Gestern mittag in der für 4,8 Millionen Mark neugestalteten Mön-ckebergstraße. Auf den extrabreiten Fußwegen flanieren EinkäuferInnen, auf den schmalen Bustrassen in der Mitte schleichen Busse mit Tempo 25. Soweit alles in Ordnung, aber woher kommen die vielen parkenden und fahrenden Autos, wundert sich Martin Runkel vom Direktorium des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV), der gestern Hamburgs erste „Kommunaltrasse“ präsentierte. Ein Lieferwagen kurvt gar direkt auf die Bushaltestelle. Dabei ist die neue „Flanierstraße mit Boulevardcharakter“, wie die Baubehörde sie anpreist, für Privatwagen gesperrt und Lie-ferverkehr nur von 21 bis 11 Uhr zugelassen. Das sei noch etwas unbefriedigend, findet Runkel.

Genug der Verkehrsberuhigung, meint hingegen Jürgen Langer, Sprecher der „Interessengemeinschaft Hamburger City“, welche die ansässige Kaufmannschaft vertritt. Nach der Fertigstellung der Kommunaltrasse in der Mönckebergstraße sei – jedenfalls zunächst – kein Raum für weitere Verkehrsexperimente, betonte er gestern: „Wir müssen zunächst einmal abwarten, wie die Verbraucher auf die Umgestaltung reagieren“.

Die werden sich je nach Gemütslage heute freuen oder erschrecken, wenn die Weihnachtsbeleuchtung angeht, denn „in schlechten Zeiten müssen wir mehr fürs Gemüt tun“, meint Langer und verspricht uns einen „Lichthimmel“ über der Mö – heller als je zuvor.

Doch die Kaufhäuser sind schon jetzt voll. Über 60 Prozent der Konsumfreudigen kommen mittlerweile mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Woher rührt also die Angst des Kaufmanns vor der Verkehrsberuhigung? „Volle Bahn ist nicht gleich volle Kassen“, erklärt Langer. Nach Untersuchungen der Einzelhändler gibt, wer mit dem ÖPNV kommt, pro Bummel 105 Mark aus. Pkw-Fahrer dagegen lassen durchschnittlich 169 Mark in den Geschäften.

Dennoch versuchen HVV und City-Einzelhandel, noch mehr WeihnachtseinkäuferInnen zum Umsteigen zu bewegen. So stehen an den offenen Sonnabenden in der Mönckebergstraße fünf Paket-Busse bereit, in denen die Weihnachts-einkäufe kostenlos aufbewahrt werden. Der City-Zustellservice bringt von dort die Pakete für fünf Mark je Lieferung im Großraum Hamburg noch am selben Tag ins Haus. Eine kostenlose Pendelbuslinie verkehrt im 6- bis 7- Minuten-Takt zwischen dem Parkplatz am Großmarkt und dem Parkplatz am Fernsehturm (CCH). Fahrgäste, die hier einsteigen, bekommen für den ganzen Tag eine Familien-City-Karte für beliebig viele Fahrten in der Innenstadt umsonst. Wer nun immer noch mit den Auto fährt, ist selber schuld.

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