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Von allem ein bißchen

„Haben Sie Informationen über Ausländer?“ Anfragen dieser Art, die in der Geschäftsstelle des Gießener Ausländerbeirats eingehen, werden trotz ihrer Uferlosigkeit zu den leichteren Fällen gezählt. Schwieriger sind dagegen die Probleme, die von Ausländerinnen und Ausländern regelmäßig vorgetragen werden: Akute Wohnungsnot, die verweigerte Arbeitserlaubnis oder die drohende Abschiebung.

Hinter den Einzelfällen verbergen sich meist strukturelle Probleme von allgemeiner Bedeutung. Die vielfältigen Formen von institutioneller Diskriminierung aufzudecken, bildet bereits eine wichtige Grundlage für die politische Tätigkeit des Ausländerbeirats, dessen ehrenamtliche Mitglieder sich monatlich zu einer Sitzung zusammenfinden. Hier wird das Problem erörtert, der Lösungsweg entworfen und Handlungsanweisungen für seinen kollektiv tätigen Vorstand und für die Geschäftsstelle erteilt, die die Beschlüsse letztlich umzusetzen hat. Der Adressat für die jeweilige Forderung sitzt nicht immer in der Stadt, oft sind es Landes- oder Bundesbehörden. Da waren zum Beispiel die Beschwerden über diskriminierende Behandlung durch Polizisten, gab es die muslimische Familie, die ihr verstorbenes Mitglied nicht nach den Vorschriften ihrer Religion bestatten konnte, und da gibt es aktuelle Fälle, in denen die Arbeitserlaubnis aufgrund einer Verordnung der Bundesanstalt für Arbeit verweigert wird. Im ersten Fall konnte mit der Polizeiführung ein Konzept entwickelt werden, um zukünftige Vergehen von Beamten zu verhindern. Eine Regelung, die die Bestattung nach den Vorschriften des Islam auf einem Gießener Friedhof ermöglicht, steht vor dem Abschluß. Für den dritten Fall werden überregionale Bündnispartner gesucht, um die Rücknahme der diskriminierenden Verordnung zu erreichen.

Damit ist das Tätigkeitsprofil des Gremiums noch nicht hinreichend beschrieben. So füllt der Ausländerbeirat mit interkulturellen Veranstaltungen regelmäßig Säle und betreibt mit zahlreichen Diskussionsveranstaltungen ein kleines bißchen Bildungspolitik in Sachen multiethnische Gesellschaft. Zum festen Programm gehören außerdem muttersprachliche Kurse für Minderheiten, denen dies an den Regelschulen nicht mehr angeboten wird. Bei Bedarf kann auch mehr geboten werden, wie etwa ein derzeitiger Fortbildungskurs für ausländische Frauen in Zusammenarbeit mit der Frauenbeauftragten der Stadt.

Die wichtigste Debatte der letzten Zeit im Gießener Ausländerbeirat befaßte sich aber vor allem mit einem Thema: Basisarbeit. In Zukunft will das Gremium die emanzipatorischen Ziele seiner Tätigkeit stärker in den Vordergrund stellen und den Dialog mit den Minderheiten in Gießen intensivieren. Sadullah Güleç

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