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„Bei Räumung verbrennnen wir uns“

■ Polizei brachRäumung des kurdischen Vereins-Lokals ab / Am Abend Demo in der City

„Wir werden uns nicht räumen lassen. Wenn es sein muß, verbrennen wir uns. Die Lage ist ernst. Wir machen keine Propaganda. Das meinen wir todernst.“ Mit dieser Erklärung warnten gestern die kurdischen BesetzerInnen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ die Polizei vor einer Eskalation. Mit den Anschlägen auf türkische Einrichtungen am 4.November habe der Bremer Verein „nichts zu tun“. Dafür gebe es weder Beweise noch ein Gerichtsverfahren.

Am frühen Morgen hatte die Polizei den Versuch abgebrochen, das am Sonntag besetzte Lokal in der Langemarckstraße zu räumen. Nachdem die rund 50 BesetzerInnen gedroht hatten, sich mitsamt des Hauses in Brand zu stecken und die Polizisten Benzin rochen, zogen sich die Beamten zurück. Dies sei „in Anbetracht nicht mehr kalkulierbarer Gefahren für Besetzer und Nachbarn“ geschehen, teilte die Polizei anschließend mit.

In einem Brief an den Anwalt des kurdischen Vereins rief Polizeipräsident Rolf Lüken am Nachmittag persönlich dazu auf, die Besetzungsaktion friedlich zu beenden. An der „Räumungsabsicht und ihrer Notwendigkeit“ werde nämlich „unmißverständlich festgehalten“. An einer „Eskalation und weiteren Gefährdung von Personen und Sachen“ dürfe aber „niemand ein Interesse haben“.

Parallel dazu hat die „Initiative Bremer Strafverteidiger“ gestern an Polizei und Politik appelliert, „die Räumungsabsicht fallen zu lassen“. Das Leben der Betroffenen BesetzerInnen müsse „über den administrativen Vollzug des Verbots der PKK gestellt“ werden, das zudem „äußerst kritikwürdig“ sei.

Der Mieter einer Wohnung über dem besetzten Lokal des Kulturvereins hat sich gestern gegenüber der taz darüber beschwert, daß er es wegen des dauernden Lärms und der Gefahr einer Brandstiftung in seiner Wohnung kaum noch aushalten könne.

Zu einer „gewaltfreien politischen Lösung des Konflikts in der Türkei“ hat unterdessen gestern Ausländerintegrations-Senatorin Helga Trüpel aufgerufen. Das gelte sowohl für die türkische Regierung als auch für die PKK. Trüpel hofft nun, daß ihre „Gespräche mit kurdischen und türkischen Organisationen dazu beitragen, eine Eskalation der Situation in Bremen zu verhindern“.

Laut, kalt und friedlich war es am Abend bei einer Demonstration gegen die deutsche Kurdistan- und Türkei-Politik. Etwa 500 kurdische und deutsche DemonstrantInnen zogen durch die vorweihnachtliche Bremer Innenstadt. Auf Transparenten forderten sie einen Stopp der deutschen Waffenlieferungen an die Türkei und verlangten lautstark „deutsche Panzer raus aus Kurdistan“. Der Demonstrationszug – vorn eine große kurdische Gruppe mit den Fahnen der PKK, hinten ein Block deutscher DemonstrantInnen – bewegte sich vom Hauptbahnhof zur Domsheide und zum Ziegenmarkt. Zwischen Rathaus und Bürgerschaft ließen sich die Menschen inmitten des Bremer Vorweihnachtsrummels zwischen Drehorgeln und Lebkuchenherzen auf den Straßenbahnschienen nieder und skandierten „Es lebe die PKK“, „Faschistische Türkei“ und „BRD: Terrorist“.

„Das kurdische Volk nimmt sein Völkerrecht auf Selbstverteidigung und auf Widerstand gegen den türkischen Staat und dessen Verbündete wahr“, hieß es auf einem Flugblatt. „Während Dörfer entvölkert und Giftgaseinsätze über kurdischen Gebieten geflogen werden, spricht die Türkei von Demokratisierung.“ Die Bundesrepublik, größter Handelspartner der Türkei, mache sich zum „größten Unterstützer der türkischen Unterdrückungspolitik“. Die Flugblätter des Kurdistan- Solidaritätskomitees und der Kurdistan-Solidarität Bremen fordern die Rückgabe von Räumen und Eigentum der kurdischen Institutionen, die Rücknahme des PKK-Verbots, den Stopp der wirtschaftlichen Hilfe für die Türkei und die Anerkennung des „legitimen kurdischen Befreiungskampfes“. Ase/bpo

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