■ Urdrüs wahre Kolumne: Schampus zahlt Empfänger
Zum Steindraufschmeißen unmenschlich zeigt sich in der Weihnachtszeit RTL-Boss Helmut Thoma. Obwohl die Sendungen mit den jodelnden Dirndln und den krachledernen Musikanten hohe und höchste Einschaltquoten haben, hat dieser gefühllose Eismann die Aus- Taste für die Stadl-Klänge gedrückt: Kukken einfach zuviele Omis und Opas zu, die man vor den Zielgruppenanalytikern der Werbezunft verstecken will. Wir aber haben ein Herz für Wildecker Doppelherzbuben und Ehrfurcht vor schlohweißen Haaren und fordern alle LeserInnen dieses Blattes auf, Unterschriften zu sammeln und an die Aktion „Rettet die Volksmusik“, Am Jungfernplatz 3 in 30171 Hannover zu schicken. Das Volksbegehren wird an St.Nikolaus weitergeleitet und der bringt dann dem Thoma das Jodeln mit der Rute bei.
Im Postamt Domsheide durchwühlt eine ziemlich wacklige Seniorin im angejahrten Chic aus der AWO-Altkleidersammlung die Papierkörbe in der Postfachzentrale. „Nö, Briefmarkensammlerin bin ich nich'“, bekennt sie verlegen auf vorsichtige Nachfrage. „Aber in diesen Geschäftsdrucksachen liegen immer Rückantwortkarten zum Prospektbestellen. Und die mit Porto zahlt Empfänger füll ich aus. Ich krieg ja sonst kaum Post und so kommt der Bote jeden Tag mit einem Stapel vorbei. Und von einer Maschinenfabrik aus Stuttgart schicken die mir als Stammkundin jedes Jahr eine Flasche Sekt und einen Kalender.“ So lieben wir Werbung – als Seniorenprogramm mit Herz!
Schlawiner scheuen Schräges nicht! Der scheidende Waldau- Chef Rolf B. Wessels verabschiedet sich im Kulissenmagazin des Bremer Volkstheaters in ausgesprochen kryptischer Form mit einem untergründigen Gedicht des Kabarwettisten Werner Fink aus der Nazizeit, das er prompt seiner Nachkommenschaft widmet: “Sie haben deinem Vater reichlich zugesetzt/ mein Sohn./Ihn ein-und ausgesperrt und abgesetzt/Sie haben manchen Hund auf ihn gehetzt...“ und so weiter und so dreist. Echt, Alter! Bißchen inner Schublade vergriffen, Du Weiße Rose Plattdeutschlands. Schon bei den Moorsoldaten?
Zum Frauenfrühstück bittet an diesem Wochenende die Bremer Frauenunion. Namentlich wird als Teilnehmerin lediglich die Parlamentarische Staatssekretärin Bernardette E. Neumann angeführt. Guten Appetit auch!
Das krebserzeugende Genußmittel WEST wirbt derzeit auf den Großtafeln der Deutschen Städtreklame mit „Make love, not Müll“. Ökologie nach der Art jener, die das Morgen sowieso nicht erleben. Und zugleich ein Tritt unter den Bauchnabel für alle, die den zugrundeliegenden Slogan einst mit aller Hippie-Würde auf dem Flickenjankerl trugen. Sollen wir Fossile der Bewegung uns das ganz ohne Edding gefallen lassen?
Am Buß- und Bettag wurde in Murkens Krug zur Fähre nach einem fanatischen Grünkohlgelage das Komitee „Matthäus issn Arschloch“ gegründet. Als Endesunterzeichneter dieser Tage das gemeinschaftsstiftende Sweatshirt mit dieser gültigen Wahrheit auf der Obernstraße spazieren führte, sprach ihn eine junge Frau(!) an: “Gibt es das auch mit anderen Politikern?“ Was soll man dazu noch sagen, was nicht der Ausländerbeauftragte des FC Bayern München schon längst in 30 cm langen Sätzen gesagt hätte?
Liebe MesopotamierInnen im Teestübchen links der Weser! Im Namen des Heiligen Nikolaus und aller Märtyrer der Revolte fordere ich euch herzlichst auf, jetzt bloß keine Lichterkette bei offenem Feuer zu bilden. Man darf's doch Konsul Nero G. nicht so einfach machen. Der feixt sich doch ein Fertighaus!
Ulrich Reineking-Drügemöller
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