: Notruf für Vergewaltiger? -betr.: Notruf- Mitarbeiterin-nen in der taz vom 3.11.93
Betr.: Notruf- Mitarbeiterinnen in der taz vom 3.11
Beim Lesen ihrer o.g. Stellungnahmen zum Thema Vergewaltigung (und in der Annahme, daß diese von der taz richtig wiedergegeben wurden) schäme ich mich meiner Zunft: Vergewaltiger primär als schwache Männer zu sehen, die durch Therapie zu heilen wären, ist wirklich platteste Psychologisiererei! Sind sie wirklich imstande, bei ihrer Arbeit die inzwischen schon alte Erkenntnis zu vergessen, daß Vergewaltiger männliche Macht gegenüber dem „anderen Geschlecht“ ausüben und in erster Linie als Teilhaber und Exekutierer von Männerherrschaft zu sehen sind?
Absurd ist auch für jede, die in therapeutischer Arbeit erfahren ist, der Gedanke, Vergewaltigungsprävention durch Tätertherapie zu betreiben. Zum einen ist der Erfolg bei der Therapie von Sexualstraftätern wegen deren zumeist unzureichender Motivation sehr begrenzt, zum anderen erwarte ich von präventiver Arbeit, daß sie nicht erst einsetzt, wenn eine Vergewaltigung bereits geschehen und der Täter verurteilt ist. (Die meisten Täter werden nie verurteilt!)
Gefährlich wird ihre Stellungnahme allerdings, wenn sie vor der Entwicklung von Selbstsicherheit und Verteidigungsbereitschaft von Mädchen und Frauen warnen – Frauen sollen besser schwach bleiben, während schwache Männer stark werden sollen?! Gefährlich vor allem deswegen, weil ihnen als Notruf-Mitarbeiterinnen das Vertrauen entgegengebracht wird, parteiisch und unterstützend in Bezug auf Frauen zu sein. Wie wollen sie diesen berechtigten Erwartungen angesichts ihrer inhaltlichen Positionen gerecht werden? Dazu erwarte ich eine öffentliche Stellungnahme von ihnen.
Meinerseits werde ich sowohl die Frauen, die sich an mich wenden, als auch die Kolleginnen und Kollegen hier im Landkreis über ihre Äußerungen informieren und vor Ihnen warnen. Am konsequentesten fände ich es allerdings, Sie würden selbst einsehen, daß sie unter falscher Flagge segeln, und sich umbenennen – in: „Notruf für Vergewaltiger“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
