: Probier's mal mit Gemütlichkeit
Werder Bremen gewinnt 1:0 gegen Frankfurt dank intensiverem Studiums des Lehrbuches und der einträchtig flatternden Nerven ■ Aus Bremen Dieter Mützelburg
Jetzt ist Frankfurts Trainer Klaus Toppmöller da, wo ihn Kritiker gern sähen: auf dem Abstieg vom hohen Thron an der Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga. 0:1 bei Werder Bremen, die vierte Niederlage in Folge. Das ist die Bilanz des Trainers, der versprach, „Frankfurt bleibt in dieser Saison topp“. Nun ist alles wieder wie zu Zeiten des Spielers Andreas Möller, gestern topp, heute flopp.
Schlechten Fußball spielt Frankfurt immer noch nicht. Im schnellen Kombinationsspiel übertrafen sie die Bremer. Die setzten mehr auf Gemütlichkeit und versetzten ihre 25.000 Fans in Ungeduld. Bis der Ball im Bremer Angriff ankam, waren die Frankfurter auch schon mit acht, neun Spielern vor dem eigenen Tor. So hatte Werder wenige Torchancen, Frankfurt aber noch weniger.
Schuld waren die Nerven. Selbst die Zuschauer spürten das Zittern, die Fehlpässe mit Ansagen auf beiden Seiten. Gaudino und Binz bei Frankfurt, Eilts und Bratseth bei Werder übertrafen sich wechselseitig. Insbesondere, wenn sie zuvor die Bälle mit hohem Einsatz erkämpft hatten. Fußball, vor allem Spitzenfußball, ist offensichtlich nicht allein ein Produkt von Technik und Taktik, sondern ebenso der Psyche. Aber in der Psychotherapie scheint Werder immer noch Spitze zu sein. Wo in Frankfurt nach drei Niederlagen alte Gespenster aus den Zeiten der Stepanovic, Möller und des geldgierigen Managers Gerster heraufbeschworen werden, da setzt Bremen auf Aussitzen, Abwarten, Durchhalten nach dem Vorbild der Bonner Politik. Irgendwie – hier wie da – klappt das dann doch noch.
Unter dem Strich blieb fußballerisch: beide kämpften um jeden Ball, beide zeigten schöne Spielzüge, beide spielten ihre Angreifer sauber an – und dennoch wechselte der Ball häufiger die Mannschaften, als diese sich wieder umorientieren konnten.
Nur zweimal wurde dieses Bild durchbrochen. In der 52. Minute spielte Borowka einen 40-Meter- Diagonalpaß aus dem Lehrbuch. Basler war schon bis zur Lektion „Diagonal-Flachpaß mit dem Außenspann“ vorgedrungen, und Rufer, einmal seine Sprintabneigung überwindend, war schon da und lupfte fachgerecht ins Frankfurter Tor. Fünf Minuten vor Schluß dribbelte Frankfurts Stürmer Furtok nicht nur an zwei Bremer vorbei, sondern tunnelte auch noch Bratseth. Frei vor dem Tor flatterten wieder die Nerven, Furtok verschoß.
Bei den wenigen weiteren Chancen verloren Bode und Hobsch für Bremen sowie Andersen und immer wieder Furtok den Kampf gegen ihre Nerven. Die Torhüter Stein und Reck hatten deshalb auch wenig zu tun.
Ob Frankfurt wieder topp wird, entscheidet sich noch vor der Winterpause. UEFA-Cup in La Coruna und das Spitzenspiel in Kaiserslautern sind die letzten Chancen für Klaus Toppmöller zu zeigen, ob er auch ein Toptrainer ist. Otto Rehhagel hat's da leichter. Wenn Werder Mittwoch in der „Champions League“ gegen Anderlecht gewinnt, wird ihm ein Punktverlust in Leipzig verziehen, und Herzog und Legat dürfen weiter über „Diktatur“ und „Ungerechtigkeit“ schimpfen. Die Ansprüche beim Deutschen Meister hängen immer noch nicht so hoch wie beim „Traummeister“, wie die Sportpresse die Eintracht in den letzten Jahren nannte.
Über dem guten, spannenden, aber auch nervigen Spiel rückten zwei andere Themen an den Rand. Der am Dienstag und Freitag angeblich unbenutzbare Platz sah nicht nur grün aus, sondern war gut bespielbar. Und Rudi Völler sprach zwar mit Rehhagel, aber unterschreibt – wenn überhaupt in der Bundesliga – wohl nicht bei Werder. Schließlich ist er nicht aus Achim bei Bremen, sondern aus Hanau bei Frankfurt. Völler bei der Eintracht, dann jedenfalls wäre „Toppi“ wieder topp.
Eintracht Frankfurt: Stein - Binz - Zchadadse, Roth - Bindewald, Falkenmayer, Dickhaut (71. Andersen), Bein, Komljenovic - Gaudino, Furtok; Zuschauer: 25.381
Tor: 1:0 Rufer (49.)
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