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SanssouciNachschlag

■ Oliver Bukowskis "Burnout" im Theater 89

Wer hoch hinaus will, sollte schwindelfrei sein. Und wer das Empire State Building einrüsten will, den sollte nicht schon auf der fünften Stufe einer Haushaltsleiter der Taumel packen. Der Gerüstebauer Dohmühl in Oliver Bukowskis Komödie „Burnout, die Verweigerung des hohen Cehs“ ist ein Versager. Im Leben wagt er kaum einen Schritt, um sein Glück zu erreichen, dafür träumt er um so heftiger davon, irgendwann mal ganz groß rauszukommen. Als Zuhörer seiner Lebensträumereien findet er in einer Kneipe den geistig zurückgebliebenen Golm, der eigentlich Golem heißt. Nach seiner Herkunft befragt, stammelt dieser immer wieder nur „Zurückbleiben“. So sehr sich Dohmühl, der Verweigerer des hohen Cehs, an der Beschränktheit seines Gegenübers stößt, am Ende heilt ihn das schlichte Gemüt des Golems von seinem amerikanischen Traum, und er hält wenigstens auf der fünften Sprosse sicher Balance.

Dieser derb-komische Schwank eines jungen Autors aus dem Osten wurde letztes Jahr am Berliner Theater zum Westlichen Stadthirschen uraufgeführt und fiel durch. Was eigentlich, wie Bukowski es selber nennt, „ein an Realität erkranktes Märchen“ hätte sein sollen, wurde damals so gründlich gegen den Strich gebürstet, daß dabei eine aufgeblasene und vollkommen überzogene Asozialen-Groteske herauskam, die keiner mehr verstand. Bei der jetzigen Wiederaufführung von „Burnout“ im Theater 89 hat der Autor die Hände mit im Spiel, und man verzichtet glücklicherweise auf eine dramaturgische Artistennummer.

Aber so witzig-derbe die Aufführung des authentischen Bukowski nun hätte sein können – die Lacher bleiben trotzdem aus. Und das nicht, weil die Inszenierung traumwandlerisch sicher zwischen Tragik und Komik balancierte und das Lachen im Halse steckenbliebe. Nein, Hans-Joachim Frank als Ossi-Prototyp Dohmühl brüllt sich 90 Minuten lang die Seele aus dem Leib, damit keiner im Publikum jemals vergißt, wie hoffnungslos demoralisiert und „ausgebrannt“ er ist. Einen solchen reinen Kraftakt kann sein stotternder Gegenspieler Golem (Eberhard Kirchberg) leider nicht ausgleichen, auch wenn er einen ungemein rührenden Kaspar Hauser in Frankenstein-Gestalt abgibt.

Zu einem Gleichgewicht von Witz und Tristesse findet die polternde Inszenierung von Jörg Mihan nur einmal: wenn Golm zielsicher die obersten Sprossen einer Psychotest-Persönlichkeitsleiter erklimmt, weil er all diese idiotischen Tests in- und auswendig kennt. Je poetischer und phantastischer die Antworten, desto besser. Auch Dohmühl möchte so hoch hinaus. Aber diesem ewigen Verweigerer fehlt es natürlich an Witz, was Frank großartig zeigt. Matthias Schad

Noch bis 12.12. (außer 9.12.), jeweils um 20.30 Uhr im Theater 89, Wilhelm-Pieck-Straße 210, Mitte.

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