■ Innen- und SicherheitsministerInnen bei der Arbeit: Pralinen für die Minister
Brüssel (taz) – Früher war alles anders. Da haben sich die europäischen Innen- und JustizministerInnen gerne kleine Geschenke gemacht. Zweimal im Jahr hat man sich getroffen, schön reihum und nach Wetterlage, mal bei dem einen in Athen, mal bei dem anderen in London oder in Lissabon. Und der Gastgeber hat sich dann jedesmal fast überschlagen, um seine Gäste mit allerlei Nettigkeiten bei Laune zu halten. Dabei wurde über dies und das geredet, vor allem aber darüber, wie man im Europa der 12 die Grenzen abschaffen kann, ohne daß die Kriminellen deshalb überhand nehmen. Mißtrauen gehört schließlich zur Berufsausstattung von SicherheitsministerInnen.
Solange sie noch viel und üppig reisen durften, haben sie sich Trevi-Gruppe genannt, nach dem berühmten Brunnen in Rom. Wenn man da ein paar Münzen reinwirft, sagt man, dann sorgt das Schicksal dafür, daß man immer wieder kommt. Vielleicht hat da der eine oder andere an der falschen Stelle gespart.
Jedenfalls, seit wir die Europäische Union haben, müssen sich die Innen- und JustizministerInnen – wie die Kollegen von den Finanzen oder aus der Landwirtschaft auch – immer im langweiligen belgischen Brüssel treffen. Weil sie jetzt auch Aufgaben im Gemeinschaftsbereich haben, wie es so schön heißt.
Im Grunde geht es bei den gemeinschaftlichen Sachen nur um die Frage, aus welchen Ländern man ein Visum braucht, um nach Westeuropa zu dürfen, und wie der einheitliche EU-Visumstempel aussehen soll, rund oder eckig, farbig oder neunsprachig mit europäischem Sternenkranz oder doch lieber ohne. Alles andere fällt wie früher unter die ganz normale internationale Zusammenarbeit, weil damals in Maastricht außer den Deutschen niemand so recht daran interessiert war, aus der Wirtschaftsgemeinschaft eine echte politische zu machen. Viel hat sich da auch nicht geändert. Aber der Anfang ist gemacht, und darum ging es unserem Kohl damals. Irgendwann einmal, so die schlaue Rechnung, werden die Minister aufhören, vor jeder Frage zu überlegen, ob sie nun als Trevis oder als EU-Ministerrat weiterreden werden.
Als sie sich in der letzten Woche zum ersten Mal wie ganz normale EU-MinisterInnen im 14. Stock des Brüsseler Charlemagne trafen, verblüfften sie die Service-Mannschaft mit alten Trevi-Traditionen. Um die bei Ministerräten übliche, geradezu preußisch ernste Arbeitsatmosphäre etwas aufzulockern, ließen die beiden belgischen Sicherheitsminister erst mal Pralinen reichen, und dann wurde an der Sache vorbeigestritten, daß es eine wahre Freude war.
Die Spanier legten von vorneherein gegen alles einen Vorbehalt ein, um dagegen zu protestieren, daß Belgien den Asylantrag von zwei ETA-Leuten nicht sofort abgelehnt hat, sondern erst nach verfassungsmäßiger Prüfung ablehnen will. Und damit die Minister auch sicher bald wieder zusammenkommen müssen, blockierten die Spanier auch gleich noch den Startschuß für Europol. Eigentlich war geplant, zum 1. Dezember in Holland den ersten Euro-Polizei- Posten einzurichten, wogegen auch Madrid nichts einzuwenden hat. Aber weil die Holländer den Aufbau des europäisches Markenamtes in Alicante verzögern wollen – bis die Frage der Übersetzungskosten geklärt ist – stellen sich die stolzen Spanier bei Europol einfach stur.
Übrigens hat Brüssel auch einen berühmten Brunnen, in den man Geld werfen kann. Vielleicht werden sich die MinisterInnen zur Manneken-Pis-Gruppe zusammentun, ganz oft wiederkommen und Pralinen austauschen. Alois Berger
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