: „Am Ende gehn wir noch auf Sozialhilfe!“
■ Monolog eines Besserverdienenden, der die Volkswirtschaft retten will
6.000 Mark netto haben wir im Monat zusammen, meine Frau und ich. Das gilt ja für manche schon als „besserverdienend“, aber in Wirklichkeit ist doch alles längst verplant. Den Anfang machen schon die 2.300 Mark, die wir für unser Häuschen abzahlen müssen. 500 Mark Wohnkosten im Monat kommen noch dazu, die Gebühren steigen. Dann die Autos. Wir brauchen einfach zwei Autos, wir wohnen im Randbezirk. Den ÖPNV, den kann man ja vergessen! Wenn meine Frau morgens mit dem Bus zur Arbeit ruckeln müßte, mehr als eine Stunde wär' die ohne Auto unterwegs.
Also zwei Autos kosten schon mal 800 Mark. Dann die Kinder. Die eine studiert und kriegt von uns 800 Mark im Monat. Die muß sogar noch nebenher jobben. Die andere kostet uns zu Hause auch gut und gern 300 Mark, allein schon diese modischen Klamotten. Macht alles zusammen 4.700 Mark. Dann kommen wir beide, meine Frau und ich. Allein 150 Mark im Monat Sport und Sauna, dann das Abo für den Kabelkanal, der Friseur für meine Frau, am Wochenende auch mal rausfahren, essen gehen. Zeitungen, Videos, Kino. Freizeit gibt's ja nicht umsonst. Die kostet uns schon so 350 Mark monatlich.
Bekleidung, Schuhe kommen auch noch dazu, und dann die Kosmetik, zusammen 250 Mark, bescheiden gerechnet. Da sind wir schon bei 5.300 Mark. Bleiben ganze 700 Mark für Essen, Getränke, Zigaretten. Das ist niedriger als der Sozialhilfesatz für Haushaltsvorstand und Ehepartner! So großartig leben wir nämlich gar nicht.
Wo sollen wir denn da noch was abgeben? Wir halten den Laden doch am laufen: Ohne uns keine Eigenheime, also auch weniger Bauwirtschaft. Und wer kauft sonst 'nen überteuerten VW oder Opel, wenn nicht wir? Wer hält die Gastronomie in Schwung? Von wem sollte die Tourismusbranche leben? Ist doch alles ein Kreislauf. Von wegen Umverteilung: wer bei uns was abknapsen will, der schadet doch allen, der trifft die Volkswirtschaft ins Mark, da braucht man nur mal logisch nachzurechnen. Barbara Dribbusch
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