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Horrende Kosten für Massentests kalkuliert

■ Seehofer-Vorschlag „vollkommen absurd“ / Tests würden zwei Milliarden kosten

Berlin (taz) – Die von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer vorgeschlagenen Massentests aller in Deutschland entnommenen Blutproben auf das Aids- Virus HIV würden jährlich 1,8 Milliarden Mark kosten. Wie die taz zuverlässig erfuhr, liegt eine entsprechende Kostenkalkulation inzwischen auf dem Tisch des Ministers. Damit geht die Realisierbarkeit „gegen null“, hieß es gestern im Bonner Ministerium.

Gesundheitsminister Seehofer hatte vorgeschlagen, daß bei allen Patienten in Krankenhäusern und Arztpraxen, bei denen ohnehin Blut entnommen wird, die Proben auch auf HIV getestet werden sollen. Der Minister hatte dabei offenbar übersehen, um welche Größenordnung es geht. Im vergangenen Jahr lagen in den deutschen Krankenhäusern nicht weniger als 15 Millionen Patienten. In 90 Prozent aller Fälle wurde dabei mindestens einmal eine Probe entnommen. In der Regel aber wurde mehrfach eine Blutentnahme angeordnet. Rechnet man die Blutentnahmen in den Arztpraxen dazu, kommt man auf täglich rund 100.000 Blutproben, die auf HIV zu untersuchen wären.

Gegenwärtig wird der einfache Elisa-Test in den Labors mit 25 Mark abgerechnet. Dazu kommen die Kosten für Bestätigungstests, die bei positiven Befunden anfallen und für die Arzt- und Beratungshonorare. Selbst wenn die Kosten für die Tests durch den Massenanfall und ein verändertes Abrechnungssystem halbiert werden könnten, wäre noch eine runde Milliarde Mark im Jahr zu bezahlen. Experten im eigenen Hause sprechen längst von einem „vollkommen absurden und unbezahlbaren Vorschlag“. Nach wie vor ist auch unklar, welche Erkenntnisse das Massen-Screening eigentlich liefern soll. Gerade die sexuell besonders aktive Bevölkerung zwischen 20 und 40 Jahren ist in Krankenhäusern und Arztpraxen am seltensten zu sehen. Dafür, so kritisieren Epidemiologen, werden überproportional Omas, Opas und Kinder auf HIV getestet.

Wie schon bei seiner inzwischen wieder fallengelassenen Initiative zur Einführung einer Meldepflicht hat Seehofer auch in Sachen Massentests weitgehend an seiner eigenen Fachabteilung vorbeiagiert. Bis heute hat der Gesundheitsminister die Fachbeamten im Hause nicht mit der Erarbeitung eines Konzepts zur Realisierung seines Vorschlags beauftragt. Kritiker glauben, Seehofer habe auch in Sachen Massen-Screening nur einen Luftballon steigen lassen, um seine bayerische Klientel zufriedenzustellen. – Inzwischen verschärft sich die Kritik von allen Seiten. Der Berliner Sozialwissenschaftler und Aids-Experte Rolf Rosenbrock sieht in den Massentests einen Verstoß gegen die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und gegen die Kunstregeln der Medizin.

Ein solches „ungezieltes Screening“ verbiete sich bei jeder Krankheit. „Außerdem wissen wir über keine Krankheit mehr als über HIV und Aids“, sagte Rosenbrock, „was soll das also bringen?“ Renate Schmidt, Vizepräsidentin des Bundestages und Mitglied der Deutschen Aids-Stiftung, sagte, die neue Diskussion über Massentests und Meldepflicht zeige nur, wie brüchig die Decke der Vernunft und Toleranz sei. Auch die Bundesärztekammer und die Deutsche Aidshilfe haben den Seehofer-Vorschlag wiederholt als unsinnig zurückgewiesen. Manfred Kriener

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