: Einbruch der Wellenkräfte
■ Die neugegründete Architekturgalerie eröffnet mit dem New Yorker Architekten Peter Eisenman
Das äußere Erscheinungsbild von Peter Eisenmans Entwürfen weist als erstes die Verschiebung gewohnter Koordinaten auf. Horizontalität und Vertikalität lösen sich in einem Spiel auf, daß zwischen Falte, Welle und Verrückung viele Erscheinungsformen findet. Was für viele Kritiker wie ein höchst individualisiertes Geschmacksprofil erscheint, das man als stilvoll oder aufgesetzt empfindet, birgt allerdings immer eine geistige Struktur in sich, die oft auf unsichtbare Umgebungslinien reagiert. So finden sich in dem neuen, von Eisenman entworfenen Bebauungsplan für das Frankfurter Rebstock-Gelände, der dieser Tage beendet wird, die topografischen Linien des Geländes aufgenommen und für den Plan einer Siedlung in Düsseldorf entwarf er ein Raster aus den Radarwellen des Flughafens und den Radiowellen des Funkturms. Doch auch dort, wo die Umwelt nicht unmittelbar abstrahiert in den Entwürfen Einzug hält, demonstriert der New Yorker die Verwendung neuer Bezugssysteme.
Bei dem Haus Immendorff, dem modern-nostalgischen Versuch, ein elitäres Künstlertreff zu entwickeln, hat Eisenman sich über sogenannte Solitonwellen an die Struktur herangearbeitet. Dies sind komplexe Wellen in Körpern, die durch die kurzzeitige Überlappung einzelner Wellen entstehen. In dem sechsstöckigen Gebäude, das neben einem Club für Künstler, Politiker und Wirtschaftsleute ein Künstlercafe mit Orginalinterieur von 1902 und Künstlerstudios beinhalten soll, durchdringen sich zwei komplexe Wellen, die sich stellenweise durchbrechen. Der innere Körper ist bedeckt mit einem überdimensionalen Wandgemälde und beinhaltet die eigentlichen Räume, der äußere Körper ist aus Glas, so daß man von außen das sechsgeschossige Kunstwerk betrachten kann. Der Komplex ist ein Anbau an einen Getreidespeicher in jenem Gebiet des Düsseldorfer Hafens, den die Stadt für ein renomee-trächtiges Künstlerzentrum benützen möchte.
Eisenman, der lange Jahre mehr durch spektakuläre Entwürfe als durch deren Realisierung von sich reden machte, steht nun mit mehreren Projekten in Deutschland in konkreten Verhandlungen. Sowohl die „gefaltete“ Bebauung des Rebstockgeländes als auch ein 120 Meter hoher „bisexueller“ Tower am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße neben dem Berliner Ensemble, der zwei geschwungene Phalli zu einer Vulva verdreht, haben laut Eisenman gute Chancen realisiert zu werden.
Die Ausstellung zeigt Modelle, Zeichnungen und Computeranimationen allerdings nur zum Haus Immendorff. Die verschiedenen Ansichten und Ausschnitte vermitteln einen plastischen Eindruck von der komplexen Struktur wie vom ästhetisch-philosophischen Standpunkt Eisenmans, den er unter anderem in dem dort erhältlichen Katalog begreiflich macht.
Till Briegleb
Galerie für Architektur, Münzplatz 11, Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, bis 29. Januar.
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