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Am Ende steht die Zwangsvereinigung

■ Nach über zwanzig Jahren getrennter Existenz werden heute an der FU die beiden Psychologischen Institute vereinigt / Kritische Psychologen sorgen sich um Bestandsschutz und Mitspracherechte

Die Existenz zweier konkurrierender Psychologie-Institute an der Freien Universität soll bei der heutigen Sitzung des Kuratoriums der Uni beendet werden. Das sozialwissenschaftlich ausgerichtete Psychologische Institut (PI), an dem die Kritische Psychologie einen hohen Stellenwert einnimmt, soll in das Institut für Psychologie (IfP) eingegliedert werden, das zum Fachbereich Erziehungswissenschaften gehört. Mit der Zusammenführung folgt die Universität dem Hochschulstrukturplan von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt.

Das IfP, das nun die Oberhand in der FU-Psychologie gewinnen soll, entstand 1970, als konservative Professoren in der Reform- Ära nicht mehr am PI lehren mochten. „Einen wahnsinnigen Krawall“ habe es am Institut gegeben, beschreibt Professor Klaus Holzkamp die damalige Situation. „Spaltung heißt Kampf!“ sei die Parole der Linken gewesen. Schließlich habe die Senatsverwaltung die Spaltung des Instituts durchgesetzt. „Dieselbe Senatsverwaltung will heute die Zusammenlegung“, beklagt der Professor, der in den letzten Jahrzehnten die Kritische Psychologie am PI ausgebaut hat.

Schon 1988 hatte das Kuratorium der Freien Universität die Fusion beschlossen und damit einen wichtigen Auslöser zum damaligen Uni-Streik geschaffen. Die gesellschaftsbezogene Theorieentwicklung des PI und seine Kooperation mit Praxiseinrichtungen der psychosozialen Versorgung wurden damals in Flugblättern als erhaltenswerte Besonderheiten verteidigt. Bekanntlich hatte der Protest Erfolg.

Professor Ernst Hoff, geschäftsführender Direktor des PI, sieht den „Druck der Öffentlichkeit“ als wesentliches Motiv für die FU- Gremien, die Fusion jetzt schnell durchzuziehen. Klärungsbedürftig ist allerdings seiner Meinung nach die Vertretung der PI-Angehörigen in dem neuen Fachbereich.

Das Fusionsmodell, das im Juli vom Akademischen Senat gegen die Stimmen der Konservativen beschlossen wurde, sah als ein wesentliches Zugeständnis an das PI eine sofortige Neuwahl des Fachbereichsrates vor. Doch dies ist nach Meinung der FU-Rechtsabteilung unzulässig. Erst nach halbjähriger Mitgliedschaft sollen die die PI-Angehörigen an den Wahlen teilnehmen dürfen. Vorher haben nur die VertreterInnen des IfP Stimmrecht, die vom PI sollen nur konsultiert werden müssen. Doch gerade in dieser Übergangszeit stehen wichtige Entscheidungen an.

So soll die durch Holzkamps Emeritierung freigewordene Professur für Kritische Psychologie neu besetzt werden, ebenso eine C2-Stelle für Feministische Psychologie. Viele Lehrende vertrauen dabei, so Hoff, auf den „kontrollierenden, wohlwollenden Blick“ der linken Uni-Leitung. Holzkamp meint, daß sich die IfP- VertreterInnen schon im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit an den Wünschen der PI-KollegInnen orientieren werden.

Viele StudentInnen sähen das nicht so optimistisch, meint Oliver Decker von der Fachschafts-Ini am PI. Immerhin ist der Graben zwischen den beiden Instituten noch immer tief. So erkennt das PI bei Studierenden, die das Institut wechseln, manche am PI erworbene Leistungsnachweise nicht an, obwohl für beide dieselbe Prüfungsordnung gilt.

Decker weist auch darauf hin, daß die Besetzung der Stelle für Kritische Psychologie jetzt unter dem Vorbehalt ausreichender Haushaltsmittel stehe. Während des Streiks im Sommersemester, als diese Stelle ein „Essential“ des PI in den Verhandlungen darstellte, sei von dieser gravierenden Bedingung keine Rede gewesen.

Ein anderes „Essential“ des PI ist das dort seit den siebziger Jahren praktizierte Tutorienmodell. Hier wird ein Teil der Lehre im Grundstudium durch studentische TutorInnen durchgeführt, die sich mit den Prüfungsberechtigten abstimmen müssen. Die entsprechende Bestandsgarantie im Beschluß des Akademischen Senats scheint inzwischen entwertet, da die Senatsverwaltung für Wissenschaft die Anerkennung der so erworbenen Scheine nicht mehr duldet. Hoff und Holzkamp meinen allerdings, daß auch die Erhaltung des PI daran nichts mehr ändern könnte.

Als bloße Zusatzveranstaltungen würden die Tutorien dagegen viel von ihrer Attraktivität verlieren, meint Oliver Decker. Damit würde auch die besondere Qualität des PI-Studiums in Frage gestellt. „Unsere Inhalte werden teilweise auch an anderen Unis vertreten, aber hier können die Studis den emanzipatorischen Anspruch aufgrund der Strukturen selbst erfahren.“

Nachdem Senator Erhardt mit seinem Ermächtigungsparagraphen gescheitert ist und an der Technischen Universität die Einstellung der Psychologie diskutiert wird, sieht die Fachschafts-Ini inzwischen Gründe, die Entscheidung zu vertagen. Die Zustimmung zu dem Kompromißpapier des Akademischen Senats sei jedenfalls geschwunden.

„Nach den Ferien“, so Decker, „haben wir ein Stimmungsbild unter den Studis gemacht und festgestellt, daß alle frustriert sind. Da haben wir unsere alte Parole rausgeholt: Erhaltet das PI!“ Matthias Fink

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